Wir haben die Hof- und Lebensgemeinschaft Heggelbach besucht und mit Thomas Schmid gesprochen, dem Mitbegründer und Gesellschafter. Dabei kamen Themen auf den Tisch, die auch jenseits der Landwirtschaft zum Nachdenken anregen.

Versteckt in der gewellten Landschaft des westlichen Bodensees, hinter der zweiten Hügelkette liegt die Hofgemeinschaft Heggelbach. Über schmale Feldwege ist der Hof in der Nähe von Herdwangen zu erreichen. Verstreut und bunt gewürfelt verteilen sich Häuser, Ställe, Gehege, Scheunen und eine Käserei auf dem Kernareal des Hofes. Dazwischen blüht und grünt es, Bienen summen herum, Katzen streichen umher und viele kleine Details laden zum Verweilen ein. Schweine schauen neugierig und grunzend durch das Gestänge des Außengeheges neben dem Kuhstall und suhlen sich dann weiter vergnügt im Dreck. Kisten, Maschinen, Holz, Gummistiefel, Kinderspielzeug…überall steht und liegt etwas herum – aufgeräumt sieht anders aus. Hinter jeder Ecke und Hecke gibt es etwas Neues zu entdecken. Ein wahres Paradies für Kinder.

Heggelbach ist ein idyllischer Ort mit schönen Ausblicken. Aber das ländliche, lebendig-chaotische Idyll, das sich dem Besucher auf den ersten Blick präsentiert, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Gesamtbild der Hofgemeinschaft. Wer genauer hinsieht und mit den Akteuren des Hofes spricht, entdeckt einen lebendigen Hoforganismus, für den alle Beteiligten intensiv mit mentaler und körperlicher Kraft arbeiten. Wir haben  Heggelbach besucht und mit dem Mitbegründer und Gesellschafter Thomas Schmid über Themen gesprochen, die auch jenseits der Landwirtschaft zum Nachdenken anregen.

Von Anfang an gemeinsam
Die Gründer der Hofgemeinschaft Heggelbach sind von den späten 70er und den frühen 80er Jahren geprägt worden. „Wir haben eine erste Ölkrise erlebt. Das Ende vom Vietnam-Krieg. Wir haben nach anderen Möglichkeiten des Daseins gesucht“, so Thomas Schmid. Er, seine heutige Frau Ulrike und Rolf Raneburger hatten sich während der Ausbildung in der konventionellen Landwirtschaft kennengelernt. Martin Reyer, der einzige, der von einem Bauernhof kam, war zu ihnen gestoßen, weil Raneburger ein Praktikum auf dessen Hof gemacht hatte. Der Verkauf dieses Hofes bei Stuttgart war dann auch das Startkapital, mit denen sich die drei Gründerfamilien Reyer, Raneburger und Schmid den Heggelbachhof mit 50 ha Land kaufen konnten. Thomas Schmid erzählt, dass die Landwirtschaft damals zum ersten Mal in einen kritischen Fokus gekommen und das Höfesterben ein riesiges Thema gewesen sei. Und man habe angefangen, sich über die Nahrungsmittelqualität Gedanken zu machen. Er und seine Kollegen wollten es daher anders als die Konventionellen machen. Und ihnen war auch klar, dass das nur geht, wenn sie es gemeinsam anpacken. So hat 1986 in Heggelbach ein neuer Weg in der Landwirtschaft begonnen.

Die Kühe, die jetzt im Sommer tagsüber aufgrund der Wärme im Stall sind, haben zu tun. Berge von frischem, sattgrünem Futter liegen aufgetürmt vor dem Braunvieh mit ihren stetig malmenden Mäulern. Der Stall ist zu allen Seiten offen, lichtdurchflutet und die umherflatternden Vögel suchen in dem frisch gemähten Grünfutter nach Insekten. Im Heggelbachstall trägt Kuh auch heute noch Horn. Das entspricht der Philosophie von demeter, dem Bio-Anbauverband, dem die Hofgemeinschaft seit 1989 angehört. Die Milch des Braunviehs, die sich aufgrund ihrer Zusammensetzung besonders gut für das Käsen eignet, fließt komplett in die hofeigene Käserei. Hier stellen der Gründungs-Gesellschafter Rolf Raneburger und seine Frau Karin sowie Helmut Sterk, der neueste Gesellschafter im Heggelbach-Bund, vier Käsesorten her unter anderem einen Alpkäse aus Rohmilch. Daher ist es wichtig, dass die Kühe nur Heu und Grünfutter bekommen, keine Silage, damit sich die Käselaibe während der Reifephase nicht wie ein Ballon aufblähen.

Bio-Boom kurbelt die Gemüsenachfrage an
Die ersten 15 Jahre hat die Hofgemeinschaft mehr oder weniger von der Milchviehhaltung und der Käserei gelebt. Aber heute ist Milch, auch Bio-Milch nur noch wenig wert, die Konkurrenz durch billigen Bio-Käse wird größer. Daher hat die Hofgemeinschaft den Gemüseanbau nach und nach erweitert. Mittlerweile spielt der Feldgemüsebau der „Pastinaken-Bande“ von Heggelbach, wie sich Thomas Schmid und seine Kollegen selbst nennen, eine wichtige Rolle. Und das obwohl die Voraussetzungen auf den hügeligen Heggelbach-Flächen, die bis auf 760 Meter raufgehen, für Gemüse eigentlich nicht ideal sind. Aufgrund der großen Nachfrage nach Bio-Gemüse ist der Umsatz des Hofes mit Feldgemüse jetzt doppelt so hoch wie der Käse-Umsatz. Thomas Schmid und die beiden jüngsten Gesellschafter Jona Kreis und Florian Reyer bauen auf den sonnigen Südhängen unter anderem Sellerie, Rote Beete, Zwiebeln, Pastinaken und Zuckermais sowie Kartoffeln an, die sie im Rahmen der Bauerngemeinschaft Bodensee vermarkten.

Landwirtschaft als sinnvoller Kreislauf
Kühe, Käserei, Schweine und Gemüse – das breite Spektrum, das von der Hofgemeinschaft gelebt und erarbeitet wird, ist heute eher selten. Schon lange geht der Trend in der Landwirtschaft in Richtung Spezialisierung. „Diese Vielfalt, die wir haben, wäre ohne den biologisch-dynamischen Ansatz nicht zustande gekommen. Die klassische Entwicklung von solchen Betrieben war eigentlich die, dass die Viehhaltung rausgeflogen ist. Die sind reine Gemüsebetriebe geworden ohne Viehhaltung und Fruchtfolge. Aber wir haben jede Menge Grünland und das kann man nur mit Vieh nutzen,“ erläutert Schmid.

Ganz wichtig in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft sei der Kreislaufgedanke. „Das Prinzip haben wir uns erhalten. Wir haben so viel Schweine, wie wir Futter haben und so viele Kühe, wie wir ernähren können und auch vermarkten können. Wir machen so viel Gemüse, wie wir in der Fruchtfolge anbauen und auch wieder vermarkten können.“ Nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel die Witterungsbedingungen zu Missernten führen, muss Thorsten Krug, der seit 2004 Gesellschafter auf dem Hof ist und für die Viehhaltung verantwortlich ist, Bio-Futter zukaufen.

Dass Landwirtschaft ganzheitlich gelebt werden kann, ist nur ein Kapitel in der Geschichte von Heggelbach. Die neuen Wege, die Schmid und seine Kollegen beschreiten, sind darüber hinaus auch eng und stetig verwoben mit den Herausforderungen der Finanzierung und Kapitalgewinnung. „Wir hatten von Anfang an zu wenig Kapital; alles, was hier steht ist mit Fremdkapital gebaut und erworben worden“, so Schmid. Das Schicksal wollte es so, dass 1993 ausgerechnet die Familie Reyer, die den Großteil des Kapitals zum Erwerb des Hofes beigesteuert hatte, aus der Hofgemeinschaft ausstieg. Zumindest einen Teil des eingebrachten Geldes brauchte sie für den Aufbau einer neuen Existenz. Doch die anderen beiden Gründer wollten weitermachen, hatten aber kein Eigenkapital, um die Kollegen auszubezahlen. Mit Hilfe des Mercurialis-Vereins konnte eine Lösung gefunden werden: Der Verein kaufte die Kernflächen des Hofes. So bekamen die scheidenden Gesellschafter ihr Geld und Schmid und Raneburger waren ab sofort Pächter auf Heggelbach.

Trennung von Eigentum und Nutzung
Die Zerreißprobe dieser schwierigen Zeit hat aber auch dazu geführt, dass sich die Heggelbacher seitdem intensiv mit einer Idee auseinandersetzen: der Idee der Trennung von Nutzung und Eigentum. Unser herkömmliches Wirtschaftsmodell stellt das Eigentum in den Fokus. Die Gesellschafter der Hofgemeinschaft aber arbeiten an einer Vision, bei der nicht mehr das Eigentum, sondern die Nutzung die höchste Priorität hat. Bei der Verpachtung von Land gilt bereits das Modell, das Eigentum und Nutzung trennt. Diesen Ansatz möchten sie auch für andere Güter, die für einen landwirtschaftlichen Betrieb benötigt werden, umsetzen.

Ihre Vision, die auch im Leitbild der Hofgemeinschaft niedergeschrieben ist, sind handelbare Anteilsscheine bzw. Genussrechte. Diese sollen nicht wie ein Kredit getilgt werden, nur eine „Nutzungsgebühr“ in Form von Zinsen soll dafür gezahlt werden. Thomas Schmid konkretisiert die Idee anhand eines Beispiels: „Wenn ich von jemanden Geld für einen Stall bekomme, diesen baue und für die Viehhaltung nutze, also damit arbeite, dann zahle ich solange die Zinsen an den Eigentümer, wie ich den Stall nutze. Ich muss dafür sorgen, dass der Wert des Geldes erhalten bleibt. Wenn ich den Stall verfallen lasse, dann muss ich ihm auch sein Geld zurückzahlen. Ich habe also ein Interesse daran, dass das Geschäft weiterläuft!“ Möchte der Anteils-Eigentümer sein Geld zurück, dann würde er seine Anteile an jemand anderen verkaufen, so dass die Gesellschafter von Heggelbach weiterhin das Nutzungsrecht hätten.

Vererbung in der Blutslinie prägt die Landwirtschaft
Auch in anderen Bereichen haben sich die Heggelbacher intensiv mit der Eigentumsfrage beschäftigt. Dazu Thomas Schmid: „Eine Tragik in der Landwirtschaft ist die enge Familienbindung.“ Normalerweise sieht es so aus: Großeltern Landwirte, Eltern Landwirte und die Kinder auch wieder Landwirte; die Vererbung eines Hofes in der Blutslinie – zu steuerlich sehr günstigen Bedingungen bestimmt die traditionellen und herkömmlichen Strukturen in der Landwirtschaft. Doch heute ist es nicht mehr so selbstverständlich, dass die junge Generation auch in die Fußstapfen der Eltern treten möchte. Dann steht der Hof irgendwann zum Verkauf, aufgrund der großen Flächen meist zu unerschwinglichen Preisen. Auf der anderen Seite gibt es junge Leute, die Landwirtschaft gelernt und studiert haben, aber nicht aus einer Bauernfamilie kommen. Ihnen bleibt nur die Anstellung oder sie verschulden sich hoch durch den Kauf eines Hofes. „Eines unserer ganz hohen Ziele, die wir uns gesetzt haben, ist da eine Alternative zu gestalten. Die Aufgabe der Landwirtschaft haben wir angenommen, aber das Wie, das haben wir auf unsere Art und Weise definiert“, so Thomas Schmid.

Landwirt aus freien Stücken
Und so bietet Heggelbach ein Konzept der „freien Entscheidung“. Die Familien setzen einerseits nicht darauf, dass ihre Kinder in Zukunft auch mal auf dem Hof arbeiten werden. Einen Erwartungsdruck bezüglich der Hofnachfolge gibt es also nicht. Andererseits können in Heggelbach gelernte Landwirte als Unternehmer arbeiten, ohne dass sie Eigenkapital mitbringen müssen, um sich auf dem Hof einzukaufen. So hat sich Florian Reyer, der Sohn des ausgeschiedenen Gründungsgesellschafters, der ein Teil seiner Kindheit in Heggelbach verbracht hat, entschieden, auf den Hof zurückzukehren und selbst als aktuell jüngster Gesellschafter einzusteigen. Damit verlängert sich der Pachtvertrag der Gemeinschaft mit dem Mercurialis-Verein automatisch um den Zeitraum, bis Reyer ins Rentenalter kommt. Der Vertrag geht dabei immer von dem jüngsten Mitglied der Gemeinschaft aus, so dass Florian Reyer seine aktive Schaffenszeit in den nächsten 35 Jahren fix planen und gestalten kann. Dieser Ansatz bietet ein neues Konzept der Sicherheit, die nicht im Besitz liegt, sondern auf die Kontinuität der Bewirtschaftung aufbaut. „Die Grundidee ist, dass es hier weitergeht und vor allem auch gemeinsam weitergeht und dass wir auch in 20 Jahren noch eine lebendige Gemeinschaft sind“, so der Jüngste im Bunde.

Eine tragfähige Gemeinschaft
Der Zusammenschluss macht es auch möglich, dass die Beteiligten mehr Freiheit und Freizeit als die herkömmlichen Landwirte haben. Junge Landwirte, die irgendwann den Hof von den Eltern übernehmen werden, haben nie etwas anderes kennengelernt als eine Sieben-Tage-Woche und so gut wie keinen Urlaub. Die Heggelbacher aber sehen dieses Modell nicht länger als zukunftsfähig an und haben die Lösung in der Gemeinschaft gefunden. Dazu Schmid: „Wenn man nicht aus der Landwirtschaft kommt, ein freies Wochenende einfach dazugehört, Urlaub auch, da merkt man, allein geht das gar nicht.“ Auch Florian Reyer, dessen Frau Andrea nicht in der Landwirtschaft mitarbeitet, schätzt diese Freiräume, die die Gemeinschaft für jeden ermöglicht. Und die Rechnung geht finanziell auf. Heute bewirtschaftet die Hofgemeinschaft insgesamt 180 ha und kann davon sechs Gesellschafter und deren Familien sowie aktuell vier Lehrlinge und bis zu sechs Saisonarbeiter ernähren.

Die Zukunft bringt wieder neue Aufgaben
Heggelbach ist ein wirtschaftlich gesunder Betrieb, der weiter wächst. Die Nachfrage nach Bio-Gemüse ist so groß, dass der Hof diese mit seinen Erträgen gar nicht befriedigen kann. Für die Gemeinschaft aber stehen jetzt auch eine soziale Konsolidierungsphase und die weitere intensive Arbeit an dem Leitbild an, das die Gemeinschaft trägt. Die jungen Gesellschafter Florian Reyer und Jona Kreis, die erst seit Ende des letzten Jahrzehnts mit an Bord sind, müssen noch ihren genauen Platz finden und ihre Aufgaben ausformulieren. „Das ist eine Vision von mir, dass der Ökolandbau so salonfähig wird, dass die anderen Bauern nicht mehr sagen, das ist da, wo das Unkraut wächst,“ schließt Reyer.

„Miteinander ins Tun kommen“
Die Hofgemeinschaft Heggelbach ist seit 2010 Kreditkunde der Triodos Bank. Mit dem Kredit konnten die Gesellschafter eine Verpackungsanlage für Kartoffeln und Zwiebeln finanzieren und damit einen wichtigen Schritt für die Zukunft machen. Regionale Großabnehmer wie Edeka und Feneberg verlangen nach genau vorgewogenem, abgepacktem Gemüse. Diese Nachfrage kann die Hofgemeinschaft jetzt direkt befriedigen und muss nicht mehr den Umweg über einen Abpacker gehen. „Damit können wir uns einen Markt erschließen, der ansonsten gar nicht da wäre“, so Florian Reyer, der zusammen mit den Gesellschaftern Schmid und Kreis für den Gemüsebereich verantwortlich ist. Durch die verpackte Ware kann das Team eine höhere finanzielle Wertschöpfung erwirtschaften.

 Für Thomas Schmid, zu dessen Aufgaben auch die Kapitalbeschaffung für Heggelbach gehört, ist der Kredit von der Triodos Bank ein erster Schritt, „um ins Tun miteinander zu kommen“. Er sieht die Triodos Bank nicht in erster Linie als Partner für das Tagesgeschäft, für das er seit langem und gerne mit einer lokalen Bank zusammenarbeitet. In der Triodos Bank hofft er einen Partner gefunden zu haben, der bereit ist und die Erfahrung hierfür hat, über neue Wege in der ökologischen Landwirtschaft nachzudenken.