Eine neue Studie über die Gefahren von Pestiziden sorgt für Aufsehen. Nicht nur das Bienensterben, sondern auch der Schwund von zahlreichen anderen Arten soll in einem Zusammenhang mit sogenannten systemischen Pestiziden stehen, die seit Mitte der 1990er Jahre weltweit eingesetzt werden.

Die Ergebnisse der Studie, die unter anderem von der Stiftung der Triodos Bank ermöglicht wurde, fordern zu einem raschen und umfassenden Kurswechsel auf.

Die intensive Bewirtschaftung durch die moderne Agrarindustrie setzt auf Monokulturen, Sorteneinfalt, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden und außerhalb von Europa auch massiv auf Gentechnik. Dies steht im Gegensatz zu einem nachhaltigen Ansatz in der Landwirtschaft, bei dem auch die möglichen negativen Folgen für unser Ökosystem und für zukünftige Generationen bedacht werden – einem Ansatz, den die Triodos Bank aktiv unterstützt, indem sie mit den Einlagen ihrer Kunden ausschließlich Unternehmen und Projekte aus dem Bereich der Bio-Landwirtschaft finanziert.

Zusammenhang zwischen Pestiziden und Artenschwund
Wir sind in unserem Ökosystem auf ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren angewiesen, das im Zuge der Industrialisierung durch die Menschheit mehr und mehr gestört wurde und auch heute weiterhin beeinträchtigt wird. Besonders eindringlich zeigt das der Fall der Bienen. Rund 60 Prozent unserer Lebensmittel sind abhängig von der Bestäubung durch Bienen und andere Insekten. Ohne diese fleißigen Bestäuber würde sich unser Speiseplan drastisch verändern: Es gäbe keine Tomaten, Äpfel, Beeren etc. mehr, stattdessen nur noch Pflanzen, die ohne Bestäubung auskommen, wie Reis und Hafer. Daher ist weltweit die Besorgnis groß, seitdem das massive und unaufhörliche Bienensterben auf allen Kontinenten bekannt ist. Schon seit Längerem warnen Forscher vor dem Einsatz von Pestiziden in der konventionellen Landwirtschaft. Doch unabhängige Forschung, die nicht durch die Chemieindustrie beauftragt wurde, ist in diesem Bereich rar. Daher hat die Stiftung der Triodos Bank eine Studie der „Task Force on Systemic Pesticides“ unterstützt, die analysiert, welche Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von systemischen Pestiziden und dem Bienensterben bzw. dem Artenschwund generell es gibt. Die Stiftung der Triodos Bank hat sowohl selbst Geld gegeben als auch andere Stiftungen und Kunden der Bank dafür gewonnen, Geld zu spenden, um die Studie zu ermöglichen.

Bienensterben: Neonics unter Verdacht
Die Studie ist eine Metaanalyse: Rund 30 unabhängige Wissenschaftler aus aller Welt haben im Rahmen der Task Force on Systemic Pesticides rund 800 bereits vorhandene Studien erneut ausgewertet und zu einem großen Bild zusammengefasst. Erstmals gibt es so eine umfassende, weltweite Einschätzung der Effekte von Wirkstoffen wie Neonikotinoiden (kurz Neonics) oder Fipronil, die seit den 1990er Jahren in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt werden. Neonics stehen seit geraumer Zeit in Verdacht, für das massive Bienensterben auf allen Kontinenten verantwortlich zu sein. Die Studie hat nun analysiert, welche Auswirkungen der Einsatz dieser Pestizide nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten und weitere Tierarten und letztendlich auf die Biodiversität hat.

Bereits die Samen werden behandelt
Systemische Pestizide werden anders als andere Pestizide nicht auf Feldern und Pflanzen versprüht. Bereits die Samen werden mit ihnen behandelt, sodass die Stoffe später in allen Bestandteilen der daraus wachsenden Pflanze zu finden sind ─ von der Wurzel bis in die Blattspitze. Mit diesen Nervengiften sollen eigentlich Fressfeinde der Pflanzen abgetötet werden. Aber auch andere Tiere ─ ob Bienen, Würmer oder Vögel, die mit den Samen oder der Pflanze in Kontakt kommen, nehmen so die Nervengifte in sich auf: ob beim Pollensammeln, beim Fressen von Blättern oder beim Saugen von Nektar. Daher sterben nicht nur die Schädlinge; die Gifte können auch für andere Insekten und Tiere tödlich oder zumindest schädlich sein, wenn sie genügend davon aufnehmen. So können sie zum Beispiel den Orientierungssinn von Bienen stören, die dann nicht mehr zu ihrem Stock zurückfinden.

Regierungen und Gesetzgeber müssen handeln
„Die Ergebnisse sind wirklich besorgniserregend. Es wird nun ganz klar deutlich, das Neonics und Fipronil ein Risiko für das Ökosystem und seine Leistungen darstellen, das weit mehr als eine Art betrifft und das die Aufmerksamkeit von Regierung und Gesetzgebung rechtfertigt“, fasst Maarten Bijleveld van Lexmond, der Vorsitzende der Task Force, die Studienergebnisse zusammen.

Ein erster Lichtblick: Im letzten Jahr hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Moratorium für mehrere Neonics verabschiedet – wegen des vermuteten Risikos für nützliche Insekten. Das Moratorium wird im Dezember 2015 auslaufen, falls bis dahin keine eindeutigen Beweise vorliegen, die ein endgültiges Verbot erforderlich machen. Eine wichtige Rolle dabei könnte nun die Studie der Task Force spielen, die demnächst in der Zeitschrift „Environmental Science and Pollution Research“ veröffentlicht wird.

„Die Studie zeigt auf, dass nicht nur ein Verbot der gefährlichen systemischen Pestizide zwingend erforderlich ist. Wir brauchen auch ein generelles Umdenken in der konventionellen Landwirtschaft“, so Marion Buley, Firmenkundenbetreuerin Ernährung bei der Triodos Bank Deutschland. Der Einsatz von Pestiziden geschehe häufig gedankenlos und jedes Jahr aufs Neue ─ unabhängig davon, ob Schädlinge vorhanden seien oder nicht. „Dabei hat der biologische Landbau genügend natürliche Methoden der Schädlingsbekämpfung zu bieten: beispielsweise die Abkehr von Monokulturen durch abwechslungsreiche Fruchtfolgen, den Einsatz von natürlichen Feinden der Schädlinge oder die Belebung der Bodenfruchtbarkeit, die für robustere, weniger anfällige Pflanzen sorgt“, erklärt Buley. sr

Im Jahr 2013 wurden von der Triodos Bank insgesamt 738 Bio-Projekte in Europa finanziert. Das entsprach 29.771 Hektar ökologisch bewirtschafteter Flächen. Damit kam auf jeweils 10,4 Bankkunden die Bewirtschaftung einer landwirtschaftlichen Fläche in der Größe eines Fußballfeldes, das ausreichend Nahrung für 556 Mahlzeiten pro Jahr liefert. Insgesamt kam dies zum Jahresende über 19 Millionen Mahlzeiten bzw. einer nachhaltigen, biologischen Ernährung von 17.670 Menschen gleich.