Deutschland gilt weltweit beim Ausbau von erneuerbaren Energien als Vorreiter. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem sogenannten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu. Am Mittwoch beschloss die Bundesregierung eine Reform des EEG. Die wesentlichen Inhalte der Reform waren schon im Vorfeld bekannt und zogen massiven Protest nach sich. Besonders Bürgergenossenschaften und kleine Projektentwickler fürchten künftig ihre Projekte nicht mehr realisieren zu können. Ein Gespräch mit Dominic Hereth, Experte für Erneuerbare Energien bei der Triodos Bank, über die Energiewende.

Die Bundesregierung will das EEG reformieren. Was ändert sich dadurch?
Am deutlichsten werden neue Windenergieprojekte an Land (sogenannte „Onshore“-Projekte) die Änderungen zu spüren bekommen. Eine wesentlicher Unterschied im Vergleich zur bestehenden Gesetzgebung ist zum einen, dass die Höhe der Einspeisetarife nicht mehr per Gesetz vorgegeben, sondern per Auktion ermittelt wird. Zum anderen wird es Obergrenzen für die auszuschreibenden Mengen geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Reform kürzlich als Paradigmenwechsel bezeichnet. Ist das zutreffend?
Ein Paradigmenwechsel ist es sicherlich. Für neue Windprojekte, die ihre Genehmigung erst ab dem 1. Januar 2017 erteilt bekommen, wird es zum ersten Mal zu einem Wettbewerb um den Einspeisetarif kommen. Trotz erteilter Genehmigung ist es dann keineswegs mehr sicher, dass ein Projekt einen garantierten Einspeisetarif erhält. Die Windprojekte mit dem niedrigsten Gebot werden den Zuschlag erhalten bis die ausgeschriebene Menge erreicht ist. Die Bundesregierung sieht eine Ausschreibungsmenge von 2.800 Megawatt pro Jahr vor, was heutzutage in etwa 1.000 neuen Windenergieanlagen entspricht. Alte Windenergieanlagen, die in den nächsten Jahren abgebaut und durch neue Anlagen ersetzt werden, sind in den 2.800 Megawatt beinhaltet und werden nicht zusätzlich ausgeschrieben. Dieser Netto-Zubau verlangsamt die Geschwindigkeit des Windenergiezubaus im Vergleich zu den letzten Jahren.

Ausschreibungen und Wettbewerb hören sich doch erst einmal gut an. Auch andere Wirtschaftszweige müssen sich dem Wettbewerb stellen…
… Ausschreibung ist grundsätzlich ein valides Mittel, um im Wettbewerb einen möglichst geringen Preis festzulegen, wie zum Beispiel beim Bau einer Autobahn. Der Energiebereich ist aber bei weitem komplexer als ein einmaliges Infrastrukturprojekt, so dass starke Verzerrungen bei der Auktion eintreten können. Mit der Einführung von Ausschreibungen bei Solarstrom im Jahr 2015 wollte man das Ausschreibungsverfahren ja schon einmal testen. Die Ergebnisse sind bekannt: Es kam zu einem massiven Einbruch der Investitionen und Arbeitsplatzverlusten. Nicht alle Projekte, die den Zuschlag bekamen, wurden umgesetzt, so dass der von der Bundesregierung geplante Zubau nicht erreicht wurde.

Ist ein gleiches Szenario auch bei Ausschreibungen für Windkraftanlagen zu erwarten?
Die Bundesregierung hat in gewissem Maße aus ihren Fehlern gelernt und setzt die Hürden für die Teilnahme an der Wind-Ausschreibung hoch: Nur wer bereits eine mit hohen Kosten verbundene Genehmigung erwirkt hat, darf an der Auktion teilnehmen. Zudem müssen vor der Auktion hohe Bankgarantien hinterlegt werden, die einbehalten werden, sofern das Projekt nicht umgesetzt wird. Wird man bei der Auktion mehrfach nicht berücksichtigt, bekommt man zwar die Bankgarantien zurück, aber auf den hohen Projektentwicklungskosten bleibt man sitzen.

Und dies dürfte sich insbesondere auf kleinere Marktteilnehmer auswirken…
…Ja, kleinere Marktteilnehmer, wie Bürgergenossenschaften oder kleine Projektentwickler, die maßgeblich die Energiewende mitgestaltet haben, werden dadurch ausgeschlossen. Kleine Projektentwickler können nicht eine halbe Millionen Euro in die Entwicklung eines Projekts stecken, ohne zu wissen, wie hoch der Tarif sein wird oder ob sie bei der Auktion überhaupt berücksichtigt werden. Von der Reform profitieren dürften dagegen die konventionellen Kraftwerksbetreiber und ausländische Großinvestoren. Mit ihrer Kapitalkraft und der Streuung von diesen Risiken über mehrere Projekte haben sie einen großen Vorteil. Die so genannte Akteursvielfalt wird sicherlich abnehmen. Fairerweise muss man sagen, dass die Bundesregierung für Bürgerbeteiligungsmodelle Ausnahmen geschaffen hat.

Die Energiewende in Deutschland steht häufig in der Kritik hohe Kosten für die Verbraucher zu verursachen. Zu Recht?
Diese Aussage hört man leider allzu häufig sehr undifferenziert. Während die Kosten für Photovoltaik- und Windenergie völlig transparent sind, werden bei konventionellen Kraftwerken (Kohle und Atom) nicht die vollständigen Kosten ausgewiesen.

Wie ist das zu verstehen?
Jeder Windturbinen-Betreiber etwa muss mit Erhalt der Genehmigung eine Bürgschaft stellen, um den Rückbau der Anlage am Ende der Betriebsdauer abzusichern. Diese Bürgschaft wird üblicherweise von der finanzierenden Bank, z.B. der Triodos Bank, zur Verfügung gestellt. Die Bank verpflichtet den Betreiber ein gesperrtes Reservekonto aufzufüllen. Sollte das Projekt dennoch am Ende der Laufzeit nicht über ausreichend Mittel auf dem Konto verfügen, kommt die Triodos Bank für den Rückbau auf. Bei konventionellen Energien werden zwar auch Reserven aufgebaut, aber diese werden nicht in Barmitteln vorgehalten. Zudem ist es – im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien – unklar wie teuer der Rückbau eines großen Kraftwerks ist und wie lange er dauert, insbesondere bei Atomkraftwerken. Sollte das Unternehmen, das das konventionelle Kraftwerk betreibt, in die Insolvenz gehen, muss der Steuerzahler für die Kosten aufkommen. Verfolgt man aktuell die Diskussion um Endlagerung von nuklearen Brennelementen, kann einem als Steuerzahler schon ganz schön mulmig werden. Ein weiteres Beispiel ist das Thema des Unfalls: sollte es zu einem Atomunfall kommen, wird mit verheerenden Folgen zu rechnen sein.

MA Hereth

Wer übernimmt im Falle eines solchen Unfalls die Kosten?
Bei einem Atomunfall könnte das betreibende Unternehmen den Schaden nicht kompensieren und wäre sehr wahrscheinlich insolvent. Dann müsste der Steuerzahler haften! Dahingegen schauen wir als Bank bei Windenergieprojekten genau hin, dass jedes Projekt ordentlich versichert ist und sollte es zu einem Ereignis kommen, zahlt die Versicherung. Bei Atomkraftwerken gibt es keine Versicherung die für die immensen Folgekosten eines Unfalls aufkommen könnte.

Was bei konventionellen Kraftwerken auch nicht vergessen werden darf: Sie verschmutzen die Luft und müssen dafür nicht zahlen. Sie verursachen Ewigkeitskosten (etwa die Endlagerung von Brennstäben), ohne dass hierfür ausreichend vorgesorgt ist. Eine faire Berechnung der Kosten zeigt: Die erneuerbaren Energien sind ohne Zweifel die billigste Energiequelle. Bei den konventionellen Kraftwerken werden die Kosten nur in die Zukunft geschoben und von den nächsten Generationen zu tragen sein.

Neben dem Vorwurf teuer zu sein, wird oft bemängelt, dass erneuerbare Energiequellen (EE) bei der Stromgewinnung zu sehr von äußeren Bedingungen abhängig sind…
…das ist richtig. Der Strom aus EE wird nicht immer dann produziert, wenn er benötigt wird. Die Photovoltaik produziert zwar immerhin am stärksten gegen Mittag, wenn auch die Nachfrage nach Strom am größten ist, aber eben nicht das ganze Jahr konstant. Das Problem an der Windenergie ist, dass diese schwerer zu planen ist, aber es gibt zum einen Fortschritte in der Vorhersage und zum anderen gibt es Fortschritte bei der Entwicklung von Speichertechnologien.

Mit dem Ausbau der EE muss auch das Stromnetz ausgebaut werden. Geschieht dies in ausreichendem Maße?
Nein. Der Netzausbau hinkt dem Zubau der erneuerbaren Energien hinterher – leider auch, weil sich einige Bundesländer gegen den Netzausbau und damit gegen die Energiewende stellen. Klar aber ist, dass der Ort der Produktion aus erneuerbaren Energien meistens nicht dort ist, wo der Strom benötigt wird. In den Zeiten des deutschen Wirtschaftswunders hat sich die Industrie in den Regionen angesiedelt, wo der Rohstoff war und der Strom produziert wurde, z.B. im Ruhrgebiet. Da man die Industrie und die Großstädte jetzt nicht einfach an die Nordsee verlegen kann, muss insbesondere der Windstrom vom Norden in das ganze Land verteilt werden.

Wie geht es nun weiter?
Die Bundesregierung hat sich auf das erneuerbare Energien-Gesetz geeinigt. Nun muss es noch den Bundestag passieren. Große Änderungen wird es aber wohl nicht mehr geben, da sich Bund und Länder sowie Union und SPD bereits auf die Eckpunkte geeinigt haben. Das Ziel der großen Koalition ist eine Stromerzeugung aus EE von 40-45% bis zum Jahr 2025. Da wir aktuell bereits bei 33% liegen, steht man im Moment leider eher auf der Bremse.

Wichtig wäre nun für die Energiewende langfristig zu planen, Netze auszubauen und dezentrale Stromproduktion zu unterstützen. An einer großen Reform des Energiemarkts wird die Politik über kurz oder lang auch nicht vorbeikommen.