Auf einer Wiese des Werratal-Hofs bei Eschwege, ganz im Nordosten von Hessen, ist geschäftiges Gackern zu hören. Hunderte Legehennen picken die Körner auf, die ihnen Katharina Nennewitz hingestreut hat. Mitten im Auslauf liegt ein Strohballen, den die Hühner bereits etwas zerlegt haben. Ihr Gackern wird immer wieder durch das Krähen der Hähne durchbrochen, die sich einen lautstarken Wettstreit liefern. Vermutlich gehören die Eier, die die offensichtlich glücklichen Tiere legen, zu den leckersten der Welt. Doch dazu später mehr.

Die Landwirtschaftsmeisterin Katharina Nennewitz hat den Betrieb ihrer pensionierten Eltern 2010 übernommen, denn ansonsten wäre er verkauft worden. Davor war er einige Jahre verpachtet. Nennewitz betreibt eine sogenannte soziale Landwirtschaft. Zwei bis drei psychisch Kranke wohnen integriert in die Familie auf dem Hof und kümmern sich um die rund 450 Hühner. Diese werden nach Bioland-Richtlinien gehalten – und zwar in zwei Hühnermobilen des Unternehmens Stallbau Iris Weiland, einem Kreditkunden der Triodos Bank.

Das Besondere an diesem innovativen Stallsystem: Wird eine Auslauffläche zu kahl und matschig – das ist oft schon nach einer Woche der Fall –, wird der Hühnerstall schnell und einfach mit einem Traktor versetzt. Dadurch haben die Tiere – je nach Jahreszeit – immer eine grüne Wiese als Auslauf. „Das Bild vom Huhn auf einer grünen Wiese, das sich so oft auf Verpackungen findet, kann mit dieser Haltungsform tatsächlich eingehalten werden“, sagt Iris Weiland, Geschäftsführerin von Stallbau Iris Weiland. Bei einem festen Stall mit Freilaufmöglichkeit sei dies meist nicht der Fall. Denn die Grasfläche von rund 50 Metern um den Stall verschlammt innerhalb weniger Wochen. Das sieht weder schön aus, noch ist es gesund für die Tiere. Denn sie trinken aus dem Pfützenwasser, das sich im Auslauf bildet und können erkranken. „Für einen Bio-Betrieb ist das besonders unangenehm, weil der Einsatz von Medikamenten Wartezeiten bei der Vermarktung seiner Eier und Hühner nach sich zieht“, sagt Weiland. Mit 20 Hühnern lasse sich das Problem noch mit einer Wechselweide lösen, bei mehr Hühnern sei das aber kaum noch machbar.

Das Schutzbedürfnis der Hühner ist viel höher als das von Rindern
Iris Weiland

Denn ohne Hühnerstall, also eine Schutzbehausung, geht es nicht – und die muss bei einem Umzug auf eine andere Weidefläche auch wieder vorhanden sein. „Hühner und Rinder ähneln sich, was die Nahrungssuche anbelangt: Sie beschäftigen sich den ganzen Tag mit Fressen; aber das Schutzbedürfnis der Hühner ist viel höher als das von Rindern“, sagt Weiland. Hühner sind Waldrandbewohner. In der Landwirtschaft erfüllt der Stall diese Schutzfunktion: Er schirmt vor Feinden ab und bietet ein Nest mit Wärme, Wasser und Futter. Verlässt ein Huhn den Stall, geht es meist nicht weit: 80 Prozent der Aktivitäten finden in der 30-Meter-Zone rund um den Stall statt – und diese Zone verschlammt dann eben. Die Lösung: das Hühnermobil. Ist der Boden zerwühlt, fährt das Hühnermobil einfach ein Stückchen weiter – das ist meist alle ein bis zwei Wochen nötig.

Im Hühnermobil gibt es für die Tiere zwei Ebenen: den Kaltscharrraum, über dessen automatisierte Auslaufklappen die Hühner den Stall verlassen können, und die obere Ebene mit Futter, Wasser und Schlafstangen. Natürlich riecht es in den Mobilen nach Stall, aber nicht unangenehm. Daran hat das wiederverwendbare Mistband einen großen Anteil: Zum Misten wird es herausgezogen und gereinigt, bevor es wieder zurück an seinen Platz kommt. So wird ohne hohen Aufwand regelmäßig entmistet. Eine Heizung hat das Hühnermobil nicht. „Ein Huhn heizt selbst – mit etwa zehn Watt“, erklärt Weiland. „Man muss nur mit einer guten Isolierung dafür sorgen, dass die Wärme im Stall bleiben kann.“

Auf dem Werratal-Hof stehen zwei kleine Hühnermobile für rund 450 Tiere. Stallbau Iris Weiland hat auch noch einen mittelgroßen mobilen Stall im Angebot, der gemäß EU-Öko-Verordnung 800 Tiere beherbergen darf, und einen großen Stall für 1.200 Hühner. Das kleine Hühnermobil eignet sich laut Weiland besonders für die Direktvermarktung – so wie eben Katharina Nennewitz ihren Hof betreibt. Die Kunden sehen die Hühner vor dem Hühnermobil picken und scharren und wissen damit genau, dass sich der höhere Preis für die Bio-Eier auszahlt. Die Qualität der Eier mit ihren sonnengelben Dottern spricht ohnehin für sich. Sie entsteht durch das immer wieder frische Grünzeug, das die Hühner fressen können. Vermutlich sind die Eier von Tieren aus Hühnermobilen deshalb die leckersten der Welt.

Not macht erfinderisch

Iris Weiland ist Diplom-Agraringenieurin und hatte vor über 20 Jahren selbst das Problem mit dem verschlammten stallnahen Bereich und seinen Folgen. 1990 gründete Iris Weiland gemeinsam mit ihrem damaligen Mann Maximilian Weiland einen Bioland-Betrieb in Witzenhausen, einer Kleinstadt mit rund 15.000 Einwohnern in Hessen. 1992 fingen beide mit der Haltung von 300 Legehennen an, ab dem zweiten Jahr hatten sie immer wieder Probleme mit Verwurmungen und Infektionen, die Durchfall nach sich zogen. „Uns war auch klar, wo das herkommt: zu viele Tiere auf immer derselben Auslauffläche“, berichtet Weiland. Die Lösung: ein transportabler Stall. Doch was es auf dem Markt gab, war nicht geeignet, um es im Wochentakt zu versetzen. Also machte sich das Paar, gemeinsam mit Beratern, selbst an die Konstruktion eines Hühnermobils. Der Kern ihrer Entwicklung: eine geschlossene Bodenplatte, die das Versetzen des Stalls in maximal 15 Minuten möglich macht. Selbst bauen wollten sie das Hühnermobil zunächst gar nicht. Doch es fand sich keine Stallbaufirma, die ihre Pläne umsetzen wollte. Und so bauten sie 2002 den ersten Prototyp des Hühnermobils, noch im selben Jahr kam das Modell für 1.200 Hühner dazu. Beide Ställe werden mit Weiterentwicklungen noch heute verkauft.

Eine Erfolgsgeschichte

Iris Weiland stieg 2005 aus dem Stallbau-Unternehmen aus. Sie arbeitete am Fachgebiet Nutztierethologie der Universität Kassel und baute für den Tierschutzverein ProVieh eine Geschäftsstelle in Witzenhausen auf. 2010 übergab ihr Exmann den Stallbaubetrieb an sie weiter, um sich anderen Projekten zu widmen. Und so wurde sie zur alleinigen Geschäftsführerin. Mittlerweile gibt es in Deutschland über 200 Hühnermobile in rund 130 Betrieben, das bedeutet mehr als 40.000 glückliche Hühner. Das Hühnermobil wurde bereits nach Norditalien, in die Niederlande und die Schweiz, nach Luxemburg und Österreich exportiert. Die Triodos Bank finanzierte die Anschaffung des Grundstücks in Bad Sooden-Allendorf, die Renovierung der Fertigungshallen und die Maschinen. So konnte Weiland in die Serienproduktion des Hühnermobils gehen.

„Die Triodos Bank hat an unsere Geschäftsidee geglaubt,“ sagt Weiland. „Wir müssen Geld verdienen und die Triodos Bank natürlich auch. Wir gehen dabei fair und konstruktiv miteinander um. Unsere Bank ist ein Teil unserer Arbeit und kein Fremdkörper“, so Weiland. Auch mit der örtlichen Bank habe sie Projekte finanziert und gute Erfahrungen gemacht, das sei aber kein Vergleich zum partnerschaftlichen Verhältnis mit der Triodos Bank.

Die Vision: Hühnermobil für alle

„Man könnte alle Hühner Deutschlands in mobilen Ställen halten – genügend Platz ist da“, sagt Weiland. Und zwar brauche man für die Legehennen eine Fläche von 25 mal 25 Kilometern. Das seien 625 Quadratkilometer und gerade mal ein Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Hinzu kommt, dass für den Betrieb des Hühnermobils vorwiegend Flächen genutzt werden, die nicht ausschließlich für den Stall zur Verfügung stehen müssen. Das sind zum Beispiel Streuobstwiesen, abgeerntete oder brachliegende Äcker mit Kleegrasbewuchs etc. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Idee des Hühnermobils weiter stark verbreitet. „Es liegt in der Hand von uns Verbrauchern, welche Lebensmittel wir kaufen und wo wir sie kaufen. Und ob sich für jemanden wie Katharina Nennewitz die artgerechte Haltung lohnt oder nicht“, schließt Iris Weiland.