Der Trend zum Gemeinschaftsgarten ist gar nicht so neu, wie ihr vielleicht denkt: Obst- und Gemüsegärten haben in vielen Städten eine lange Tradition.In Stuttgarts erstem Wohnviertel, zum Beispiel, pflanzten Handwerker und Weinbauern zwischen den Häusern Kletterbohnen und gaben dem Viertel so seinen Namen: Bohnenviertel.Heute ist urbanes Gärtnern in den Städten in ganz unterschiedlichen Formen anzufinden. Der Klassiker sind die rund eine Million Schrebergärten, die es in Deutschland gibt. Bisher wurden sie vor allem von einzelnen Familien genutzt. Doch auch die Kleingärten sind im Wandel und öffnen sich immer mehr für das gemeinschaftliche Gärtnern über die Familie hinaus. So mieten mittlerweile auch Kitas und Bürgerinitiativen einen Schrebergarten an.

Daneben gibt es noch viele weiter Möglichkeiten in der Stadt zu gärtnern: Auf stadtnahen Mietäckern bieten Landwirte Selbsterntegärten zur Miete an, in Schulgärten pflanzen Schülerinnen und Schüler Gemüse an. Beim Guerilla Gardening wird mit „Seedbombs“ die Nachbarschaft begrünt und in vielen Städten übernehmen engagierte Anwohner*innen die Patenschaft für einen Baum vor ihrer Haustür, bei dem sie die Baumscheibe bepflanzen. Besonders beliebt sind zurzeit bürgerschaftlich betriebene Gärten auf öffentlichen oder teilöffentlichen Flächen. In der Regel werden diese Gemeinschaftsgärten von Anwohnerinnen und Anwohnern initiiert und im Entstehungsprozess oft auch von kommunalen Akteuren unterstützt. Diese haben mittlerweile gemerkt, dass urbane Gärten einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität leisten.

Viele Leute lernen erst bei uns im Garten, wie krumm und schief Möhren aussehen können.
Volker Emmert

Im Vitalisgarten der Gartenwerkstadt Ehrenfeld in Köln wurde zum Beispiel letztens ein Gartenschläfer entdeckt. Er ist der kleine Verwandte des Siebenschläfers und potentiell vom Aussterben bedroht. Volker Ermert, der seit 2011 aktiv ist, freut sich darüber: „Gemeinschaftsgärten sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, zur lokalen Ernährung und stärken den sozialen Zusammenhalt. Sie sind auch ein Ort der Umweltbildung. Viele Leute lernen erst bei uns im Garten, wie krumm und schief Möhren aussehen können.“

Ein engagiertes Team für den Start


Bis zu 100 Personen packen im Jahr im 2.000 m² großen Gemeinschaftsgarten auf einem ehemaligen Schrebergartengelände mit an. Das klingt sehr viel, doch der enge Kern besteht aus ca. 10-15 Personen, die mehr oder weniger regelmäßig in den Garten und zu den Organisationstreffen kommen. „Für die Gründung eines Gemeinschaftsgartens braucht man vier, fünf Leute, die wirklich Lust darauf haben und ein, zwei Jahre dabei bleiben", rät Volker Ermert.

Dabei sei es die größte Herausforderung, Menschen zu finden, die lange dabei bleiben und Verantwortung übernehmen. Wichtig sei daher die gute Stimmung im Gemeinschaftsgarten: „Leute bleiben gerne, wenn sie eine wertschätzende Atmosphäre vorfinden und sie ihre Ideen einfach mal ausprobieren können. Partizipation sollte ermöglicht werden.“ Neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter lassen sich auch gut über Veranstaltungen im Garten, wie ein Sommerfest oder einen Gärtner-Workshop, gewinnen. Bernd Assenmacher vom Internationalen Garten Bonn rät dazu, sich auch nach Gärtner*innen mit Vorkenntnissen umzuschauen: „Die bleiben oft länger dabei, weil sie wissen was für eine Arbeit dahinter steckt.“  

Geeignete Kooperationspartner und Flächen finden
 

Neben motivierten Gärtnerinnen und Gärtnern braucht ihr einen Träger, der das Grundstück anmietet und die Verantwortung dafür übernimmt. Dazu gründet ihr entweder einen eigenen Verein oder sucht euch einen Trägerverein, bei dem ihr aufgenommen werdet. Für eure Grundstückssuche sind Kommunen, Kirchen, Wohnungsbaugesellschaften oder auch die Bahn gute Ansprechpartner. Am besten sucht ihr nach Flächen mit möglichst langfristiger Nutzung. Das Grundstück sollte gut erreichbar und am besten mit Wasser, Strom und Toiletten ausgestattet sein. Vielleicht findet ihr aber auch Einrichtungen in der Nachbarschaft, die euch ihre Infrastruktur dafür zur Verfügung stellen.


Finanzierung
 

Für die Grundstücksmiete und den Kauf von Saatgut oder Baumaterial braucht ihr Geld. "Die laufenden Kosten wie die Miete kann man durch Mitgliederbeiträge finanzieren. Das sind je nachdem 200 bis 1000 Euro im Jahr“, erklärt Volker Ermert. Bei größeren Anschaffungen, wie Gewächshäusern oder Solaranlagen, gibt es oft Fördermöglichkeiten von der Kommune, von Stiftungen oder gemeinnützigen Lotterien. „Die Stadt Köln hat zum Beispiel bezirksorientierte Mittel,  da kann man einen Antrag ans Bezirksamt stellen. Und über die Deutsche Postcode Lotterie haben wir mal unser neues Dach von der Gartenhütte finanziert“, erzählt Volker Ermert. Manchmal fördern auch Umwelt- und Naturschutzämter mit kleineren Summen.

Gemeinschaftliches Organisieren
 

Bevor ihr loslegt, solltet ihr euch überlegen, wie ihr euren Gemeinschaftsgarten bewirtschaften möchtet. Der Vitalisgarten wird gemeinsam bewirtschaftet. Es gibt eine Pflanzgruppe, die überlegt, was angebaut werden soll und sich dann um das Saatgut kümmert. „Das hat den Vorteil, das alles gemeinschaftlich gemacht wird und sich nicht einer allein um alles kümmern muss. Ernten darf dann jeder, der mitmacht, das wird gerecht aufgeteilt“, berichtet Volker Ermert. Im Internationalen Garten Bonn hingegen werden die 25 Parzellen einzeln vermietet. Das hat laut Bernd Assenmacher den Vorteil, dass die Gärtner*innen ihren Garten selbst gestalten und Blumen, Kräuter oder Gemüse nach Bedarf anpflanzen können. Manchmal gäbe es allerdings auch Familien, die sich aus der Gemeinschaft zurückziehen und ihr eigenes Ding machen, das wäre schade.
Egal ob Einzel-Parzellen oder Gemeinschaftsfläche: Gemeinsame Projekte bringen immer einiges an Abstimmungsaufwand mit sich. Daher solltet ihr euch vorher Gedanken über eure Werte machen. Wieviel Chemie kommt zum Beispiel in unseren Garten? Dann kommt es im Nachhinein nicht zu so vielen Diskussionen.

Damit euer Garten langfristig Bestand hat, ist es wichtig, dass ihr dran bleibt und euch regelmäßig trefft. Das Planungsteam der Gartenwerkstadt Ehrenfeld trifft sich in der Regel einmal im Monat, außerdem gibt es einen wöchentlichen Gartentag, der von einer festen Person organisiert wird. Diese schließt dann das Tor auf, gibt Geräte aus und kümmert sich um Neuankömmlinge. Beständigkeit ist wichtig, meint Volker Ermert: „Wir treffen uns auch im Winter und auch wenn es schneit - wirklich immer.“

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