Vor sechs Monaten brachten wir eine konkrete Vision zu Papier, wie wir nachhaltig aus der Krise herauskommen können. Und wir sind nicht die Einzigen, die das so sehen. Die Europäische Kommission beispielsweise setzt sich für einen robusten europäischen Green Deal ein: einen Erholungs- und Investitionsplan, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.
Diese gemeinsame Vision gibt Hoffnung. Aber was ist eigentlich in den letzten sechs Monaten passiert? Und was sind die neuen Erkenntnisse?
Durchhangeln
Um mit der schlechten Nachricht zu beginnen: Eine nachhaltige Erholung scheint noch in weiter Ferne. Die Euros der Regierung gehen hauptsächlich an große, graue Unternehmen. Erneuerung, Innovation und nachhaltige Entwicklung sind Mangelware. „Dutzende Milliarden Euros wurden ausgegeben, um die schlimmsten wirtschaftlichen Auswirkungen zu bekämpfen. Das ist aber passiert, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, wohin wir gehen werden." Das sagt Hans Stegeman, Chefstratege bei Triodos Investment Management. „Wir hangeln uns irgendwie durch."
Zahlen des IWF zeigen, dass die Coronahilfen in vielen Ländern nur einen geringen positiven Einfluss auf das Klima haben. Hans Stegeman: „Auch in den Niederlanden gibt es keine spezifischen nachhaltigen Hilfsmaßnahmen. Nur Frankreich und in geringerem Maße auch Deutschland haben ein Auge für den grünen Aufschwung."
Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme wächst die Ungleichheit in der Welt, und wir laufen Gefahr, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen nicht rechtzeitig zu erreichen. Viele arme Länder in Afrika und Asien sind nicht in der Lage, ihren Volkswirtschaften mit Hilfspaketen durch die Krise zu helfen. Die Zahl der Menschen in extremer Armut steigt nach Jahren des stetigen Rückgangs.
Optimismus & nachhaltige Entscheidungen
Aber es gibt auch Grund zum Optimismus. Denn es gibt immer mehr Parteien, die erkennen, dass es Unsinn ist, ohne eine zugrunde liegende Vision Dutzende von Milliarden in die Wirtschaft zu pumpen, so etwa der IWF: Dessen Chefin Kristalina Georgieva betonte kürzlich die Bedeutung der Förderung nachhaltiger Entwicklung. Und zwar jetzt.
Ein solches Plädoyer sei eine Frage des gesunden Menschenverstands, findet Kees Vendrik, Chefökonom der Triodos Bank. „Denn egal, wie wir es drehen und wenden, wir werden in den kommenden Jahren viel investieren müssen, zum Beispiel zur Bekämpfung des Klimawandels. Da ist es durchaus sinnvoll, es direkt richtig zu machen und das Geld, das Regierungen ausgeben, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, gleich in nachhaltige Entwicklung zu investieren. Das wird verhindern, dass wir morgen die grauen Entscheidungen von heute mit noch mehr Geld korrigieren müssen."
Grüne Erholung in drei Schritten
Wirtschaftlich ausgedrückt, müssen wir von einem K-Szenario zu einem X-Szenario der Erholung übergehen. Stegeman: „Eine wirtschaftliche Entwicklung in der Form des Buchstabens K ist vor allem für die Börse, große Technologieunternehmen und den Finanzsektor gut. Diese profitieren, was durch den Schrägstrich des K nach oben ausgedrückt wird. Der Schrägstrich nach unten steht für Haushalte und kleinere Unternehmen. Die werden bei einer K-förmigen Erholung hart getroffen."
Das ist nicht der Weg nach vorn. Stegeman: „Die Erholung von der Coronakrise muss ein Übergang zu grün und fair sein. Man kann diese Erholung mit einer Übergangskurve in Form eines X ausdrücken. Ein solcher Übergang besteht aus drei Elementen.
1. Abbau von Aktivitäten, die keine Zukunft haben
Zum Beispiel fossile Energie. Oder die derzeitige europäische Agrarpolitik, die der Stärkung der biologischen Vielfalt und der Bekämpfung des Klimawandels viel zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Der Green Deal der Europäischen Kommission ist zwar ehrgeizig, die kürzlich von der EU vorgestellte Agrarpolitik aber nicht. Mit den Milliarden Euros an europäischen Agrarsubventionen sind kaum nachhaltige Ziele verbunden. Das müsste aber so sein, um den Sektor nachhaltiger zu machen.
2. Stärkung bestehender Unternehmen, die einer neuen Wirtschaft Hand und Fuß geben
Viele große, börsennotierte Unternehmen haben ernsthafte Ambitionen, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Stegeman nennt als Beispiel Toyota und Danone. „Solche Unternehmen sind vielleicht nicht völlig nachhaltig, aber sie haben eine solide nachhaltige Strategie und unternehmen positive Schritte. Zum Beispiel, wenn es um ihren gegenwärtigen und geplanten Beitrag zum Übergang zu einem emissionsfreien Verkehr (Toyota) und zu einem Übergang zu immer mehr pflanzlichen Lebensmitteln (Danone) geht. Mit unseren Investitionsfonds investieren wir viel in diese Übergangsunternehmen, wie wir sie bezeichnen."
3. Anreize für neue, innovative und nachhaltige Unternehmen
Dabei geht es oft um relativ kleine, aber vielversprechende nachhaltige Initiativen und Unternehmen. Etwa Banken, die Mikrokredite an Kleinunternehmer in Entwicklungsländern vergeben. Aber auch Unternehmer, die über den Rahmen des Wirtschaftssystems hinaus denken und Geld anders betrachten. Oder Innovationen wie PARKnCHARGE in den Niederlanden, die für mehr Ladestationen für Elektroautos mit Ökostrom sorgen. Diese Ladestationen laden intelligent, so dass wir das Netz nicht überlasten und elektrisches Fahren immer mehr möglich wird.
Wichtige Rolle der Banken
Zurück zur Rolle der Regierungen bei der Erholung. Unabhängig davon, ob diese Regierungen in Grau oder Grün investieren, führe diese Krise ohnehin zu einem enormen Anstieg der Staatsschulden, so Stegeman. „Das macht die Rolle von Banken und anderen Finanzgebern wichtiger, zum Beispiel bei der Bewältigung der Klima-Herausforderung. Schließlich begrenzen die Defizite den künftigen Handlungsspielraum der Regierungen, in nachhaltige Entwicklung zu investieren. Banken und andere Finanziers werden in die Bresche springen müssen."
Nicht nur die wachsende Zahl von werteorientierten Banken, auch immer mehr klassische Banken haben ein Auge für nachhaltige Investitionen und eine grüne und faire Erholung. Stegeman: „Das sind gute Nachrichten. Dieses Bewusstsein ist aber auch unerlässlich, um einer neuen Wirtschaft konkrete Gestalt zu geben."
Schließlich sei die Krise in vielerlei Hinsicht ein Moment der Besinnung, meint Stegeman. „Es ist ruhig auf der Straße, wir arbeiten von zu Hause aus, die Wirtschaft läuft auf Sparflamme. Das gibt Zeit zum Nachdenken. Welchen Weg wollen wir gehen und welche Entscheidungen treffen wir selbst in unserem Leben? Diese Krise gibt uns Raum, über solche Fragen nachzudenken. Um dann einen neuen Weg einzuschlagen und mit Kraft und Initiative den positiven Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten."
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