Die internationale Klimakonferenz COP26 in Glasgow gibt uns vor allem eines mit auf den Weg: Versprechungen. Da ist von Methanreduktion die Rede, von Netto-Null im Jahr 20XX, von weniger Abholzung, dem Ende der Kohle-Ära... Alles Lippenbekenntnisse oder "Teil des Spiels", wie uns die erfahrenen Verhandlungspartner vermitteln?    

Viel interessanter ist an dieser Stelle jedoch weniger das, was auf der Bühne in aller Öffentlichkeit passiert, sondern viel mehr, was sich hinter den Kulissen abspielt. Denn genau hier werden die entscheidenden Fragen aufgeworfen. Bewegen wir uns wirklich in die richtige Richtung? Liegt es in der Natur der Sache, dass entscheidende Prozesse schon mal im Zickzack-Kurs verlaufen?

Begründete Fragen. Und doch – wir sollten unsere Fortschritte inzwischen in Kilometern und nicht mehr in Millimetern messen. Denn was wir jetzt brauchen, ist eine Transformation – ein Übergang reicht nicht. Wir haben keine Zeit für scheibchenweisen Blödsinn.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir eine heilige Kuh mit bunten Schleifen und Bändern schmücken, während uns genau dieses Tier den Weg versperrt. Kann es sein, dass das wahre Problem gar nicht angesprochen wird – auch nicht in Glasgow?

Wir müssen akzeptieren, dass das Wirtschaftswachstum kurzfristig abflauen kann, während wir den Wohlstand langfristig steigern und erhalten.
Hans Stegeman

Sie fragen sich zu Recht: Wovon spricht er? Meine Antwort lautet: Besagte heilige Kuh trägt den Namen Wirtschaftswachstum. Und ich sage Ihnen ohne Umschweife, dass mehr wirtschaftliche Leistung und das Erreichen unserer Klimaziele einander ausschließen. Klingt simpel und ist es auch. Doch niemand will es wahrhaben. Der Ausstoß von Treibhausgasen und die Zerstörung der Lungen unseres Planeten sind auf unsere wirtschaftliche Betriebsamkeit zurückzuführen. Das beginnt beim Anbau von Nahrungsmitteln und geht über die Tierhaltung bis hin zur Herstellung von Produkten und Erbringung von Dienstleistungen. Ja, auch Dienstleistungen verbrauchen eine Menge Energie, denken wir an den Flugbetrieb oder Rechenzentren. Da wundert es nicht, dass die CO2-Emissionen im letzten Jahr während des Lockdowns messbar zurückgegangen sind.

Das Problem ist, dass die Wirtschaftsleistung in nahezu allen denkbaren Szenarien kontinuierlich zunimmt. Teils aufgrund des Bevölkerungswachstums, teils liegt es am gestiegenen Wohlstand. Keine Frage trägt das Wachstum dazu bei, die Armut unter den Ärmsten der Armen zu lindern. Aber zugleich zeichnet das reichste Prozent der Welt für die Hälfte aller CO2-Emissionen verantwortlich.

Und trotzdem basieren alle bislang getroffenen Vereinbarungen, all die hübschen Schleifen und Bänder, auf der Idee von Wachstum bei gleichzeitiger Emissionsreduktion. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass dies im globalen Maßstab möglich ist. Heißt: Solange wir unsere Denkweise und damit die Voraussetzungen für unsere Klimaziele nicht ändern, haben wir keine Chance.

Nur um eines klarzustellen: Ich bin nicht gegen Wirtschaftswachstum, warum auch? Aber wenn die Unmöglichkeit auf der Hand liegt, zu wachsen und gleichzeitig nachhaltiger zu werden, dann muss eine Entscheidung für das eine und gegen das andere getroffen werden. Denn die Klimaziele sind erreichbar. Aber eben nur, wenn wir aufhören, die heilige Kuh zu schmücken, um sie dann zu ignorieren. Wir müssen akzeptieren, dass das Wirtschaftswachstum kurzfristig abflauen kann, während wir den Wohlstand langfristig steigern und erhalten.

Der geringe Spielraum der Politik verhindert die Schaffung von Voraussetzungen, die uns innerhalb unserer ökologischen Grenzen halten. Doch um am Scheideweg des Fortschritts nicht von der heiligen Kuh mit all ihren Schleifen und Bändern blockiert zu werden, braucht es wirklich verbindliche Ziele zu den  CO2-Emissionen – und Transparenz in puncto Realisierung, Preisgestaltung, Änderungen der Steuersysteme und Umverteilung. Das ist möglich. Aber noch geschieht es nicht.

Bis wir die heilige Kuh mit ihren hübschen Schleifen und Bändern endlich vom Eis holen.