Hin und wieder reagieren die Menschen gereizt, wenn ich von einem Systemwechsel spreche. Die einen wollen das Problem nicht wahrhaben, andere hoffen darauf, dass sich alles irgendwie von selbst löst, und wieder andere sind mit dem Ausmaß der damit verbundenen Herausforderungen schlichtweg überfordert.

Ein gutes Beispiel dafür: Sich "einfach" aus der Abhängigkeit von fossilen Ressourcen zu befreien. Denn das setzt in der Tat einen massiven Wandel unserer Wirtschaft voraus. Selbst wenn wir nicht komplett aussteigen und unseren Rohstoffverbrauch lediglich konsequent reduzieren, um die fortschreitende Zerstörung unseres Ökosystems zu stoppen. Da reicht es nicht, mal eben anzubauen oder die Küche zu renovieren. Da muss eine vollständige Sanierung her, inklusive neuer Fenster, Heizungsanlagen, Fußböden. Einfach alles. Ein Kraftakt, möchte man meinen. Der ohne Superheld:innen und Superpläne nicht zu stemmen ist.

Also lebt euer natürliches Supermenschsein, zieht ruhig auch Unterhosen drüber, Hauptsache ihr legt los!
Hans Stegeman

Zumindest ist das der Eindruck, der hier entstehen mag. Verstärkt wird das Ganze durch die Art und Weise, wie wir planen und Berechnungen anstellen. Denn wir versuchen tatsächlich, die strukturellen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum sowie das gesamte Geschehen im Arbeitsmarkt über mehrere Jahrzehnte in zwei Dezimalzahlen zu fassen. Und auch die Auswirkungen auf die Kaufkraft wollen wir natürlich auf den Euro genau berechnet wissen. Darauf basierend erscheint vieles unmöglich oder unbezahlbar. Aber: Solche Berechnungen können die Realität nicht zuverlässig abbilden. Denn die Auswirkungen großer Veränderungen lassen sich nicht vorhersagen.

Wir Menschen sind anpassungsfähig

Warum? Wir Menschen haben entgegen bisheriger Annahmen eine große Fähigkeit, uns neuen Situationen anpassen zu können. Ich habe zum Beispiel in der Vergangenheit versucht, die Finanzkrise mittels Makromodell zu simulieren. Dies erwies sich als unmöglich. Die Schockwellen waren zu groß, um mit dem Modell ein Ergebnis zu erzielen. Das Gleiche geschah beim Covid-Schock im letzten Jahr: Die meisten Ökonom:innen lagen in ihren Prognosen weit daneben. Und das ist absolut logisch, denn die Modelle basieren auf historischen wirtschaftlichen Zusammenhängen. Wenn die Dinge sich anders entwickeln als je zuvor geschehen, können die bis dato verwendeten statistischen Faktoren kein verlässliches Szenario durchspielen.

Fokus auf das Superziel, ohne Superplan

Ein Wirtschaftssystem ist dynamisch. Und wie gesagt, können wir Menschen uns besser anpassen als gedacht. Das ist eine richtig gute Sache, denn es macht uns alle zu Supermenschen – dynamischer, flexibler und erfinderischer als jedes Wirtschaftsmodell. Was wir als Supermenschen brauchen, ist eine Form der Dringlichkeit und Orientierung.

Was wir wiederum nicht brauchen, ist ein Superplan mit einer detaillierten Aufstellung finanzieller Folgen. Das entmutigt uns und lenkt von dem ab, worauf wir uns fokussieren sollten: das Superziel, das uns motiviert, in kleinen Schritten die richtige Richtung einzuschlagen. Denn wir sollten nicht vergessen, dass auch Superheld:innen nur Menschen sind, die sich bunte Unterwäsche über ihre Klamotten ziehen und sich mal eben durch Comics und Filme schlagen.

Also lebt euer natürliches Supermenschsein, zieht ruhig auch Unterhosen drüber, Hauptsache ihr legt los!