Die Anforderung ist Teil der europäischen Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzierungen (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR). Diese soll sicherstellen, dass ein größerer Teil des Kapitals in nachhaltige Anlagen fließt und Anleger:innen die Nachhaltigkeit z. B. eines Investmentfonds angemessen bewerten können. Nachhaltige Fonds, die als SFDR-Artikel 8 oder 9 gekennzeichnet sind - Artikel 9-Fonds, die ein klares nachhaltiges Ziel verfolgen, und Artikel 8-Fonds, die ESG-Kriterien berücksichtigen - stehen vor einer enormen Herausforderung, so Kuiper.

Nachhaltige Fonds müssen nachweisen, inwieweit die Geschäftstätigkeiten, in die sie investieren, mit dem Rahmenwerk der grünen Aktivitäten in der Taxonomie übereinstimmen. "Dies ist eine gute Sache, denn es ist wichtig, Greenwashing zu verhindern und nachhaltigen Investor:innen Transparenz zu bieten. Aber leider kommt die Umsetzung der EU-Taxonomie nur schleppend voran, was zu kontraproduktiven Effekten führen kann." 

Kuiper nennt einige Beispiele: Firmendaten sind noch nicht ausreichend verfügbar, was zu verzerrten Nachhaltigkeitsbewertungen führen kann, einige Umweltaspekte sind noch nicht final definiert und eine soziale Taxonomie muss noch entwickelt werden. "Wir bezweifeln daher, dass das Hauptziel - mehr Kapital, das in nachhaltige Aktivitäten zu lenken – bereits zu Beginn erreicht wird. Wir sind jedoch nicht dafür, die Einführung der Taxonomie aufzuschieben. Im Gegenteil, wir würden lieber diesen wichtigen nächsten Schritt gehen, um unsere Wirtschaft nachhaltiger zu machen und den Klimawandel zu bekämpfen. Aber es bedeutet auch, dass nachhaltige Fonds ihren Anleger:innen etwas zu erklären haben."

Ein wesentlicher Stolperstein: Die EU-Taxonomie ist noch nicht fertiggestellt 

Die EU-Taxonomie legt fest, welche wirtschaftlichen Handlungen, spezifiziert nach Sektoren, nachhaltig sind. Der europäische Gesetzgeber unterscheidet sechs Umweltbereiche, die jeweils Dutzende Aktivitäten abdecken. Die ersten beiden davon sind die Eindämmung des Klimawandels und die Anpassung an den Klimawandel. Zu den anderen Umweltzielen gehören unter anderem der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sowie die Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzung.

„Derzeit gibt es nur für die ersten beiden Ziele eine vollständige Klassifizierung der Geschäftsaktivitäten", sagt Nikkie Pelzer, Impact Managerin bei Triodos IM. Dies kann zu einer erheblichen Verzerrung führen, wenn man den Prozentsatz eines Portfolios betrachtet, der gemäß der Taxonomie nachhaltig ist. Ein nachhaltiger Fonds mit begrenzten Anteilen im Bereich der erneuerbaren Energien, aber erheblichen Anteilen in anderen Umweltzielen der Taxonomie, für die noch keine finale Klassifizierung vorliegt, wird in der Wahrnehmung der Anleger:innen derzeit einen unerwartet niedrige Bewertung haben."

In Triodos Portfolien ist zum Beispiel die nachhaltige Landwirtschaft stark vertreten, sagt Kuiper. "Hier spielen Themen wie Biodiversität und Vermeidung von Umweltverschmutzung eine große Rolle. Wir hoffen, dass diese Themen nächstes Jahr in die Taxonomie aufgenommen werden, aber das hängt von den Zeitplänen für die Fertigstellung der Taxonomie ab".

In der Zwischenzeit können Fonds, die in Gas oder Kernenergie investieren, sogar besser abschneiden als wirklich nachhaltige Fonds, da diese Bereiche seit Juni dieses Jahres unter den europäischen Nachhaltigkeitsrahmen fallen. Pelzer: "T-IM war strikt dagegen. Wir sind für eine wissenschaftlich fundiertere Taxonomie. Aus verschiedenen Gründen passen Gas und Atomkraft nicht zu einer nachhaltigen Wirtschaft, die wir stattdessen anstreben müssen."

Die Umsetzung der Regulierung stellt eine erhebliche Herausforderung dar

Die Taxonomie beschreibt, ob eine Aktivität zu einem der sechs Zielbereiche beiträgt. Außerdem darf eine Aktivität, die eines der Ziele unterstützt, keines der anderen fünf Ziele beeinträchtigen. Schließlich müssen die Verfahren einer Mindestprüfung unterzogen werden, um die OECD-Leitsätze für internationale Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte einzuhalten.

Die Anforderungen an die Berichterstattung für nachhaltige Fonds seien erheblich, so Pelzer weiter. "Das ist auch für uns eine Herausforderung, obwohl wir Nachhaltigkeit bereits in jeden Schritt des Investmentprozesses integriert haben. Allerdings gelten für jeden Sektor andere Vorgaben und gerade für kleine Organisationen sind diese nicht immer umsetzbar oder sinnvoll. Bei Triodos IM arbeitet ein großes Team fast Vollzeit an der Umsetzung."

Die Umsetzung der EU-Taxonomie erfolgt in Etappen, was zu kontraproduktiven Ergebnissen führen kann.
Hadewych Kuiper, Geschäftsführerin T-IM

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die gesamte Maßnahme von belastbaren Unternehmensdaten abhängt. Große Unternehmen werden diese Daten erst ab dem nächsten Jahr melden, während kleine und mittlere Unternehmen vorerst von dieser Verpflichtung ausgenommen sind. Das Gleiche gilt für Unternehmen außerhalb Europas, was im Hinblick auf Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländer eine Herausforderung darstellt. Neben dem Umfang und den Fristen der Berichterstattung gibt es auch ein Datenproblem bei Staatsanleihen. Viele Emissionsländer liefern immer noch zu wenig konkrete Informationen, so dass Anleger:innen die Anleihen nicht mit den nachhaltigen Aktivitäten in der Taxonomie vergleichen können. Ein Portfolio, das nur grüne Anleihen enthält, kann daher immer noch eine niedrige Nachhaltigkeitsbewertung erhalten.

Ungleiche Ausgangslage im Vergleich zu konventionellen Fonds

Ein weiteres Problem besteht darin, dass konventionelle Fonds - die in der SFDR unter die nicht-nachhaltigen Artikel 6-Fonds fallen - nicht den zusätzlichen Aufwand für die Berichterstattung, zum Beispiel der Taxonomie, betreiben müssen. Pelzer: „Ihr Berichtsaufwand ist wesentlich geringer. Das erklärt, warum sich jetzt sogar nachhaltige Fonds für Artikel 6 entscheiden, was zu einem Rückgang von grünen Angeboten führt. Eine verkehrte Welt."

Die Berichtspflichten sind für nachhaltige Fonds mit höheren Kosten verbunden. Kuiper: "Allein die Audit-Kosten dürften bis zu sechsmal höher sein, weil man nachweisen muss, dass man nachhaltig im Sinne von SFDR Artikel 8 und 9 ist und die Anforderungen der Taxonomie erfüllt. Dies führt zu einem unverhältnismäßig hohen Kostendruck für nachhaltige Fonds. Nicht-nachhaltige Fonds haben einen Kostenvorteil. Ist das nicht das Gegenteil von dem, wofür diese Gesetzgebung gedacht war?"

Vor diesem Hintergrund plädiert Kuiper dafür, zumindest die Basisbestandteile der Regulierung - die Transparenz über die umfassenden, negativen Auswirkungen eines Portfolios auf Menschen und Planeten - auch für alle konventionellen Fonds verbindlich zu etablieren. Wenn wir eine vollständige Transparenz anstreben, sollte es auch eine braune Taxonomie geben, über die alle Finanzmarktteilnehmer Bericht erstatten sollten. "Meiner Meinung nach sollten alle Anleger:innen wissen, ob ihre Investitionen den Menschen und der Umwelt Schaden zufügen."