Im letzten Beitrag habe ich dir von den Permakultur-Grundsätzen oder auch Permakultur-Ethik genannt, erzählt.

Was den hast du noch nicht gelesen? Dann schau mal hier.

Dort habe ich dir versprochen, dass wir dieses Mal auf die Permakultur-Prinzipien eingehen. Zur Erinnerung: Diese sind so etwas wie Merksätze, die Eigenschaften von Ökosystemen abbilden und mit denen wir dann arbeiten können

Bill Mollision und David Holmgren, die Begründer der Permakultur, haben je ein Prinzipien-Set erarbeitet. Diese findest du ganz einfach im Netz. Ecosia das mal.

Wir befassen uns jetzt mit den sogenannten “ökologischen Grundmustern” von Christopher Alexander. Er ist ein Architekt und hat auch das unfassbar geniale Konzept der Mustersprache entwickelt hat.

Besagte “ökologischen Grundmuster” sind ebenso wie die Permakultur-Prinzipien von Mollison oder Holmgren Charaktermerkmale eines sich selbst organisierenden Systems.

Nummer 1 - Vernetzung:

Das meint die Beziehungen, die einzelne Bestandteile eines Systems untereinander eingehen. Durch clevere Vernetzung werden weniger Elemente gebraucht, um eine höhere Qualität des Gesamten zu erreichen. Klingt ganz schön verkopft, oder? Einfach ausgedrückt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Das nennt sich Emergenz.

Nummer 2 - Begrenzung:

Ein Ökosystem hört da auf, wo ein anderes beginnt, so gibt es die aquatischen Ökosysteme, wie Meere, Flüsse, Seen, Tümpel und die terrestrischen, wie Wald, Wiese, Wüste, Tundra und so weiter. Jedes natürliche Wachstum hat eine spezifische Begrenzung. Ein Baum wächst eine bestimmte Zeit, erreicht eine bestimmte Größe und stirbt dann. Ein praktisches Beispiel: Gräser können durch ihre Wurzelausscheidungen das Wachstum der Bäume über ihnen begrenzen. Das bedeutet, wenn du deinem Apfelbaum zu Hause etwas Gutes tun möchtest, dann solltest du das Gras um ihn herum niedrig halten oder sogar abmulchen, das senkt den Konkurrenzdruck und der Baum hat es etwas leichter zu wachsen.

Nummer 3 - Durchlässigkeit:

In der lebendigen Welt ist alles und ständig in fließender Bewegung. Ebenso wichtig wie “Begrenzungen” ist die “Durchlässigkeit” in Systemen. In den Randzonen, ihren Schnittstellen, entwickelt sich immer die größte Vielfalt. Denke an den Waldrand, wo Wiese und Wald aufeinandertreffen, oder an das Seeufer. Da kommen die Bewohner beider Systeme zusammen. Da geht es dann ganz schön ab! Wichtig ist dabei die Begegnungszonen zu erhalten oder zu erschaffen.

Nummer 4 - Wechselwirkung:

Eine Wechselwirkung bedeutet die gegenseitige Beeinflussung zweier oder auch mehrerer Elemente chemischer, physikalischer oder biologischer Natur.

Die Wechselwirkung zwischen Sauerstoff und Eisen wird als Oxidation bezeichnet und die Wechselwirkung von Golfstrom und westlichen Luftströmungen ist unser Großklima.

Durch Begegnung wird zwangsläufig Veränderung angestoßen, es kann Neues entstehen, ob es nun neue Arten sind, Lerneffekte oder etwas ganz anderes.

Nummer 5 - Vielfalt:

Das meint Biodiversität, also die Fülle von unterschiedlichem Leben in einem bestimmten Raum oder in einem geographisch begrenzten Gebiet. Natürlich gewachsene Systeme haben die Fähigkeit sich selbst zu regulieren, dafür brauchen sie aber eine qualitative Vielfalt.

Biodiversität ist ein elementarer Bestandteil für Stabilität und Sicherheit im System, denn fällt ein Verbindungspartner weg, kann er durch einen anderen, aus der Vielfalt der hoffentlich vorhandenen Partner ersetzt werden.

Nummer 6 - Negative und positive Rückkopplung:

Sind beides Formen von Feedback: Die Rückkopplung ist das regelnde Element eines Systems. Ein klassisches Beispiel für eine negative Rückkopplung ist das Räuber-Beute-Verhältnis zweier Populationen. Viele Mäuse sind eine gute Grundlage zur Vermehrung einer Fuchspopulation. Achtung, jetzt kommt’s: Viele Füchse fressen viele Mäuse. Dadurch geht das Nahrungsangebot an Mäusen zurück und es gibt wieder weniger Füchse.

Ein beliebtes Beispiel für eine positive Rückkopplung ist eine sich selbst vergrößernde Schneelawine.

Nummer 7 - Eigendynamik:

Jedes Ökosystem entwickelt sich dynamisch nach seiner eigenen inneren Logik. Eigendynamik bezeichnet die Wirkung der Zeit auf den Raum. Würde der Mensch nicht eingreifen, so gäbe es in Mitteleuropa, außer an seltenen Extremstandorten, wie Mooren, Felsen, Gebirgskämmen und Küsten, nahezu ausschließlich Waldvegetation. Wiesen sind Kulturlandschaften, an denen der Mensch in die Eigendynamik des größeren Ökosystems eingreift. Wälder sorgen für eine Anhebung des Grundwasserspiegels und schaffen durch ihr Wurzelsystem einen lebendigen Boden. Ohne sie passiert leider das Gegenteil.

Wie sich welches System wann sukzessiv wohin entwickelt ist ziemlich komplex!

Wir Menschen können diese Komplexität oft nicht verstehen und nehmen nur die Extreme wahr, wenn es in Ökosystemen zu Krisen oder Katastrophen kommt. Wenn das so ist, kann man allerdings meistens nicht mehr sinnvoll gegensteuern.

Nummer 8 - Kooperation:

Es gibt unterschiedlich intensive Kooperationen, wie die eher zufällige Nutznießung im lockeren Zusammenschluss von Fischschwärmen oder großen Tierherden, bis hin zur überlebensnotwendigen Symbiose, zum Beispiel die der Flechten:

Eine Flechte besteht aus Alge und Pilz. Jetzt denkst du dir bestimmt: Alge? Eine Alge kann doch eigentlich nicht an Land überleben. Eigentlich! Wenn da nicht der Pilz wäre, der ihr Wasser und Nährstoffe liefert. Dafür betreibt die Alge Photosynthese und versorgt den Pilz mit Kohlenhydraten.

Nummer 9 - Flexibilität:

Durch Flexibilität oder einen Puffer kann ein Ökosystem auf unvorhergesehene Anforderungen und Veränderungen reagieren, ohne in Stress zu geraten. Ein See ist zum Beispiel viel flexibler als ein Gartenteich. Je größer und tiefer das Gewässer ist, also je mehr Wasser enthalten ist, desto größer ist seine Reaktionsfähigkeit auf Wärmezunahme, Nährstoffeintrag und Sauerstoffmangel. Übertragen auf eine Geländegestaltung könnte es also ratsam sein, gewisse Bereiche als Puffer für spätere Ideen oder Geschehnisse freizuhalten, die während der Planung noch nicht absehbar sind. Man kann Flexibilität auch als das ungebundene Potenzial der Veränderung bezeichnen.

Jetzt hast du einen Überblick über die Charaktermerkmale von Ökosystemen, die in Systemen berücksichtigt dafür sorgen, dass es stabil und nachhaltig sein kann.

Nebenbei: In dem von mir gegründeten Humus-Festival habe ich die Ökosystemkriterien dafür benutzt Veranstaltungs-Leitfäden zu formulieren. Wenn du also ein Beispiel für eine Praxisanwendung sehen möchtest, schau doch mal hier.

P.S.: Zu alldem kommt übrigens Ende 2022 der 3-teiliger

Lauritz Heinsch

Dokumentarfilm „How to Humus“ raus.

Wie bereits erwähnt, gibt es noch andere Permakultur-Prinzipien Sets, wie das von David Holmgren. Ich führe dir diese Prinzipien am Schluss hier noch einmal auf. Nachdem du die ökologischen Grundmuster verstanden hast, helfen die Holmgren-Prinzipien enorm dabei darauf konkreteren Handlungsstrategien zu folgen:

  1. Beobachte und interagiere
  2. Sammle und speichere Energie
  3. Erwirtschafte einen Ertrag
  4. Wende Selbstregulierung an und lerne aus den Ergebnissen
  5. Nutze erneuerbare Ressourcen und Leistungen
  6. Produziere keinen Abfall
  7. Gestalte erst Muster, dann Details
  8. Integriere, statt abzugrenzen
  9. Setze auf kleine, langsame Lösungen
  10. Nutze und schätze die Vielfalt
  11. Nutze Randzonen und schätze das Marginale
  12. Reagiere kreativ auf Veränderung

Im Netz findest du noch detailliertere Erklärungen der einzelnen Prinzipien.

Das war’s schon wieder für diesen Beitrag. Ich hoffe, es hat dir gefallen und du hattest ein paar AHA-Momente beim Lesen. Falls ja, würde es mich natürlich sehr freuen, wenn du sie in die Kommentare schreibst. Das wäre eine Form von Rückfluss und Ertrag und so wäre das dritte Prinzip durch dich in diesem kleinen Projekt vertreten.

Im nächsten Beitrag möchte ich dir vom Humus erzählen.

Meine Projektwerkstatt heißt ja auch „Büro für sozialen Humusaufbau“, ich habe also eine besondere Verbindung zu diesem Zeugs. Wir schauen uns an, was das eigentlich ist.

Danke für’s Lesen und eure netten Mail, die ich in Bezug auf den letzten Artikel bekommen habe.

Zur Person

Lauritz Heinsch

Lauritz Heinsch ist unter anderem Diplom Permakultur Designer und Tutor an der Permakultur Akademie Berlin. In seinem „Büro für sozialen Humusaufbau“ entstehen Projekte, die die nachhaltige Entwicklung, insbesondere zu sozialem Zusammenleben, Umwelt-, Naturbewusstsein, Handwerk, mediale Gestaltung und ökologischen Lebensweisen unterstützen. Alle Projekte finden deutschlandweit statt und dienen dazu unsere Lebensqualität, sowie die unserer Mitwelt aktiv zu fördern. Büro für sozialen Humusaufbau –