Lösungen zur Verbesserung der Finanzierbarkeit nachhaltiger Pläne und Entstehung einer konsequenten "grünen Aufrichtigkeit" des Finanzsektors gibt es tatsächlich. Sie werden von scheinbar konträren Lagern ausgerufen: Jenen, die von den Regierungen erwarten, dass sie die Realwirtschaft durch Gesetze und Vorschriften nachhaltiger gestalten – woraufhin das Kapital im Optimalfall automatisch folgt. Also keine Verpflichtungen mehr für das Finanzwesen, sondern ein Freibrief dafür, mit Geld zu tun, was gesetzlich erlaubt ist. Auf der anderen Seite stehen jene, die den Finanzsektor in die Pflicht nehmen wollen – mit entsprechenden Vorschriften, die zwangsläufig zu nachhaltigen Entscheidungen führen und damit das finanzielle Schwungrad für mehr Nachhaltigkeit angeworfen wird. Die Konsequenz dieser Variante? Die Politik braucht nur abzuwarten, bis die Finanzwirtschaft zur Netto-Nullbilanz, Kreislaufwirtschaft und Wiederherstellung der Biodiversität beiträgt.

Ich glaube, dass keine der beiden Lösungsansätze für sich allein funktionieren wird. Denn die beiden bedingen einander.

Die Regulierung des Finanzsektors ist immer noch zu stark auf Schadensbegrenzung fokussiert. Also darauf, dass das Geld nicht so leicht in eine "falsche" Richtung gelenkt werden kann. Europa hat große Schritte in diese Richtung getan – was sich nicht zuletzt in einer Lawine neuer Begrifflichkeiten wie etwa SFDR oder Taxonomie zeigt. Die Motivation hinter den Regeln: Bei Investitionsentscheidungen sollen Nachhaltigkeitsrisiken besser berücksichtigt und Greenwashing verhindert werden. Alles schön und gut, aber trotz all dieser Vorschriften ist es immer noch nicht verboten, Dinge zu finanzieren, die der Nachhaltigkeit entgegenwirken.

Die Regulierung des Finanzsektors ist immer noch zu stark auf Schadensbegrenzung fokussiert.
Hans Stegeman

Ich denke, dass sich das finanzielle Schwungrad erst dann in die richtige Richtung dreht, wenn auch die Realwirtschaft einen kräftigen Nachhaltigkeitsschub erhält. Aber dazu braucht es dort ein Fundament aus Preisgestaltung, Festlegung von Standards und klaren Verboten. Wenn die Realwirtschaft reguliert wird, aber nicht-nachhaltige Unternehmen ihre Geschäftspraktiken beibehalten, drängen sich diese irgendwann selbst aus dem Markt – und nachhaltige Unternehmen kommen leichter an Finanzmittel. Dies wird automatisch zu einer Verlagerung der Kapitalströme führen.

Das große Aber an der Sache: Wir erleben diese Art politischer Maßnahmen nur als Randerscheinung. Da wird gemurrt und gezögert und danach geht die nicht-nachhaltige Wirtschaft fröhlich weiter ihren gewohnten Gang und wird weiter wie gehabt finanziert. 

Natürlich ist es nie verkehrt, an den moralischen Kompass der Kreditgeber zu appellieren. Es ist hier wie bei so vielem im Leben – Dinge mögen zwar erlaubt sein, aber man sollte sie dennoch nicht tun. Doch Sie und ich wissen, dass Moral und Finanzsektor auch historisch gesehen nicht die besten Freunde sind. Solange etwas erlaubt ist bzw. ohne Konsequenzen getan werden darf, wird es getan. 

Darum, liebe Politiker, ist es eine Illusion zu glauben, dass der Finanzsektor allein es schon richten wird. Das finanzielle Schwungrad kann sich erst dann in die richtige Richtung bewegen, wenn auch die Realwirtschaft einen kräftigen Nachhaltigkeitsschub erhält. Und das will in den europäischen Hauptstädten und in Brüssel wirklich gut organisiert sein.