Das Hauptziel der EU-Offenlegungsverordnung ist es, einen größeren Kapitalzufluss in nachhaltige Aktivitäten und Unternehmen zu gewährleisten. Strenge Transparenzanforderungen dienen als Test für den nachhaltigen Anspruch eines Investmentfonds und ermöglichen es den Anlegern, zwischen grau und grün zu unterscheiden. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung die folgenden Klassifizierungen vor: Artikel 6 (nicht nachhaltige, "graue" Fonds), Artikel 8 („hellgrüne“ Fonds mit einem oder mehreren ESG-Auswahlkriterien) und Artikel 9 („dunkelgrüne“ Fonds mit umfassenden Nachhaltigkeitszielen).

Triodos IM hat alle Investmentfonds mit der höchsten Einstufung versehen. Große Fondshäuser, die sich für Artikel 9 entschieden haben, machen jetzt jedoch einen Rückzieher. Letztes Jahr stuften sie Investitionen in Höhe von 140 Milliarden USD auf Artikel 8 zurück. Kuiper hält dies für eine verpasste Gelegenheit, positive Auswirkungen zu erzielen: "Es ist traurig, dass Parteien ihre Produkte selbst auf Artikel 8 zurückstufen anstatt diese entsprechend umzugestalten. Das reicht nicht aus, um einen echten Wandel zu erreichen. Mit Artikel 8 wird man keine nachhaltige Welt erreichen; das ist so, als würde man versuchen, den Ozean mit einem Fingerhut zu leeren."

Hadewych Kuiper und Nikkie Pelzer erklären, worum es bei Impact Investing geht.

Echte Wirkung erfordert auch soziale Ergebnisse

Nikkie Pelzer, Impact Managerin bei Triodos IM, führt den Rückzug auf die aufwändigen Berichtspflichten nach Artikel 9 zurück. "Es ist ein enormer Aufwand, das Label zu erfüllen. Man muss die negativen Auswirkungen über 18 Kriterien wie z.B. CO2-Emissionen und Menschenrechte messen, berichten und nachverfolgen."

Darüber hinaus ist seit kurzem klar, dass das gesamte Portfolio eines Artikel 9-Fonds nachhaltigen Zielen dienen muss. "Investitionen in Öl, auch wenn sie nur einen kleinen Teil des Portfolios ausmachen, sind nicht möglich. Das kann außerdem zu Reputationsschäden führen, wenn solche Unregelmäßigkeiten innerhalb eines Artikel 9-Fonds z.B. durch Medien aufgedeckt werden", sagt Pelzer. Die tatsächlichen Ziele eines Vermögensverwalters stehen unter einem Vergrößerungsglas.

Warum wir mit Artikel 8 nicht die Welt retten werden

Pelzer befürchtet, dass viele Kleinanleger kaum einen Unterschied zwischen Artikel 8 und 9 sehen. Es gibt jedoch grundlegende Unterschiede, sowohl im Ansatz als auch in der tatsächlichen Wirkung."

Artikel 9 verlangt den Nachweis, dass Fonds zu einem klaren nachhaltigen Ziel beitragen, dass sie mit Ihren Investitionen keinen Schaden anrichten und dass sie in Unternehmen und Projekte mit guter Unternehmensführung investieren. "Artikel 8 erfüllt nur das letzte Kriterium und das zweite nur teilweise. In der Praxis läuft das oft auf Best-in-Class-Investitionen hinaus. Dabei darf man zwar immer noch in umweltschädliche Sektoren wie Öl und die Flugzeugindustrie investieren, aber nur in die Unternehmen mit der höchsten ESG-Bewertung innerhalb dieser Sektoren", so Pelzer.

Für Kuiper ist der Best-in-Class-Ansatz völlig überholt. Sie erklärt: "Die Idee, dass man einen umweltschädlichen Sektor nachhaltig machen kann, indem man in die am wenigsten schlechten Unternehmen investiert, ist absurd. Das einzige Instrument ist das eigene Engagement, indem man mit den Unternehmen spricht. Vielleicht hat man in einem nachhaltigen Bereich wie den CO2-Emissionen einen gewissen Erfolg, aber die nachhaltige Wirkung ist viel zu gering. Es gibt zu wenig Veränderung und Resultate dauern zu lange. Solche Fonds investieren vielleicht etwas weniger schlecht als graue Fonds (Artikel 6), aber das bedeutet nicht, dass sie die Menschen und den Planeten voranbringen."

Nachhaltiges Investieren geht über Risikominderung hinaus

Best-in-Class berücksichtigt beispielsweise klimabedingte Risiken, stellt sich aber nicht der Herausforderung, die Ursachen für diese Risiken durch Investitionen in Lösungen zu beseitigen. Dazu meint Kuiper: "Wir investieren daher in Unternehmen, die die Absicht haben, wirklich Teil einer nachhaltigen Wirtschaft zu werden. Bei guten Investitionen erkennt man neben einer guten ESG-Performance auch die klare Absicht, zum nachhaltigen Wandel beizutragen."

Kuiper zufolge bedeutet das auch, dass man die Auswirkungen der Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen, in die man investiert, untersuchen und darüber berichten sollte. Dabei sollte man sich nicht nur auf den ESG-Score des Unternehmens selbst stützen, der nur etwas darüber aussagt, wie ein Unternehmen arbeitet. "Echte Nachhaltigkeit wird nur mit Artikel 9-Fonds erreicht. Wenn es davon nicht genug gibt, dann ist diese europäische Verordnung gescheitert."

Triodos IM drängt darauf, sich für echte Nachhaltigkeit zu entscheiden

Kuiper kann nicht nachvollziehen, warum große Vermögensverwalter ihre Nachhaltigkeitsambitionen auf Eis legen. "Ich sage nicht, dass es einfach ist, Artikel 9 einzuhalten. Es erfordert eine Menge Engagement und Überzeugung. Aber sollten wir das nicht auch von Unternehmen erwarten können, die über weitaus mehr Ressourcen und Kapazitäten verfügen als Triodos IM? Wie weit geht Ihre nachhaltige Überzeugung? Warum passen Sie Ihre Fonds nicht an Artikel 9 an? Das sind Fragen, die die Kund:innen dieser Vermögensverwalter jetzt zu Recht stellen können."

Als einer der wenigen Anbieter von Artikel 9-Fonds hat Triodos IM einen kommerziellen Vorteil, räumt Kuiper ein. "Das wird mehr nachhaltige Anleger:innen für unsere Fonds anziehen. Wir würden jedoch gerne viel mehr Artikel-9-Fonds sehen, und zwar so schnell wie möglich. Es braucht viel Kapital, um unsere Wirtschaft auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen, und wir brauchen jeden in der Investmentbranche, um dies zu tun. Der Finanzsektor steht in der Verantwortung, Unternehmen dabei zu helfen, nachhaltig zu werden, denn wenn man Geld investiert, hat das Auswirkungen, positive wie negative. Welcher große Vermögensverwalter wird der erste sein, der diese Verantwortung übernimmt und seine Fonds so anpasst, dass sie mit Artikel 9 übereinstimmen und damit zu echten Lösungen beitragen?"

Zum Schluss hat Kuiper noch eine Bitte an die Gesetzgeber. "Aktuell müssen nur nachhaltige Fonds über ihre negativen Auswirkungen berichten. Nicht-nachhaltige Fonds haben keine solche Verpflichtung. Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Das ist wie in einer Welt, in der eine Zigarettenschachtel keine Gesundheitswarnung hat und ein Apfel einen ganzen Beipackzettel mit seinen positiven und negativen Auswirkungen benötigt. Es wäre schön, wenn der Gesetzgeber alle Fonds zur Transparenz verpflichten würde. Das wäre fair, und die Anleger:innen wüssten, in was sie ihr Geld anlegen.“