Essen auf Rädern

„Die Post verkauft die Streetscooter jetzt günstig gebraucht, erzählt Eike Claudius Kramer, Vorstand von Wochenmarkt24. „Da haben wir zugeschlagen.“ Ein Siegerlächeln huscht über das schmale Gesicht des sonst eher bedächtigen 34-Jährigen. Auf das Dach ihrer neuen Logistikhalle baut die Genossenschaft gerade eine Solarstromanlage. Diese lädt am Tag die Autos auf, mit denen nachts das Essen ausgefahren wird: Täglich außer sonntags liefern die Fahrer:innen in Bielefeld und Umgebung rund 800 Haushalten Lebensmittelpakete im Wert von durchschnittlich 40 Euro. Der Laden brummt - seit Beginn der Corona-Pandemie mehr denn je.

Die Auswahl: frisches Obst, Gemüse, Fleisch, Milch, Eier, Käse, Backwaren, Fisch, Aufstriche, Marmeladen und sogar fertige Gerichte örtlicher Restaurants, von einfachen Spaghetti über äthiopischen Kichererbsen-Wot (eine Art Eintopf) bis zu ausgefallenen Nachspeisen. 

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Beitrag zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft

Die Direktvermarktung hilft, die Landwirtschaft nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher zu gestalten. Viele kleine Höfe überleben nur, weil sie hier höhere Preise für ihre Produkte bekommen. Im Netz finden auch kleine Mengen und ausgefallene Lebensmittel Abnehmer. So können die Landwirte ihre Betriebe diversifizieren und auf kleineren Flächen mehr unterschiedliche Pflanzen anbauen. Damit bringen sie Abwechslung auf die Äcker, steigern so Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt. An blühenden Pflanzen, die zwischen kleineren, vielfältigeren Feldern wachsen, finden Insekten Nahrung.

Die meisten Kund:innen der Direktvermarkter sind eher bereit, etwas mehr für Lebensmittel zu bezahlen, als der durchschnittliche Einkäufer beim Discounter. Rund 13 Prozent der bei Wochenmarkt24 bestellten Waren sind Bio-Produkte, gut doppelt so viele wie im deutschen Einzelhandel.

Weniger Abfall

Vermarktet wird nur in der jeweiligen Region. Die Transportwege bleiben kurz. Die Landwirte produzieren, was die Kunden bestellt haben. So entstehen deutlich weniger Lebensmittelabfälle. „Ich schlachte die Kuh erst, wenn alle Teile verkauft sind, erklärt Heike Zeller.

Die Betriebswirtin und Soziologin forscht an der Fachhochschule Weihenstephan zu Direktvermarktung in der Landwirtschaft. Bauern, die ihre Ware direkt an die Endverbraucher verkaufen, produzieren nicht auf Halde. Die Produkte landen nicht im Lebensmittelhandel, wo sie unterwegs oder im Ladenregal schlecht werden können. Außerdem umgehen sie die teils absurden Vorschriften des Handels, der zum Beispiel zu klein, zu krumm oder zu groß geratenes Gemüse gar nicht erst abnimmt.

Grenzen der Direktvermarktung

Heike Zeller sieht jedoch auch die Grenzen der Direktvermarktung. Die Bauern müssen ihre Waren fotografieren, online stellen, viele Bestellungen annehmen, Produkte in kleinen Mengen zusammenstellen und verpacken. Das kostet Zeit und Geld.

Dennoch sieht die Wissenschaftlerin im Internet viele neue Vermarktungswege für die notleidenden Landwirte. Manche verkaufen ihre Produkte über eigene Online-Shops im Netz, über Instagram, in WhatsApp-Gruppen oder eben über sogenannte Cross-Channel Angebote wie Wochenmarkt24: Online bestellen, offline liefern lassen.

Nicht zu unterschätzen sei auch der psychologische Effekt: Die meisten Direktvermarkter bieten Hofführungen an, auf denen Landwirte und Verbraucher einander kennenlernen. „Die Landwirte erfahren, was die Konsumenten wünschen und umgekehrt.“ Immer wieder hat Zeller auch von Direktvermarktern gehört, dass sie sich und ihre Arbeit in den Begegnungen mit den Kunden wertgeschätzt fühlten. In Zeiten, in denen Bauern manchmal unter dem schlechten Ruf als Klima- und Umweltzerstörer leiden, ist dies ein wichtiger Faktor. Auch Klima, Lebensmittelproduktion und deren Umweltfolgen würden auf den Höfen für die Bewohner aus Städten „direkt erlebbar. So verstünden die Menschen die Zusammenhänge besser.

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Regional, frisch und mehr Bio

Noch sei der Effekt aber gering, weil nur etwa sechs bis acht Prozent der Betriebe ihre Produkte direkt vermarkten. Viele vor allem kleinere Höfe hätten für einen eigenen Hofladen oder Online-Shop zu wenig verschiedene Produkte im Angebot, gibt etwa Jürgen Braun zu bedenken. Er lehrt Nachhaltige Agrar- und Ernährungswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen.

Für Jürgen Braun und Heike Zeller treffen die Direktvermarktungsplattformen den Nerv der Zeit: Immer mehr Verbraucher wollen wissen, wie ihre Lebensmittel hergestellt werden und woher sie kommen. Regional ist den meisten noch wichtiger als Bio.

Schweineparadies

Im Bielefelder Nachbarlandkreis betreibt Gabriele Mörixmann ihren „Aktivstall für Schweine. Wenn die fröhliche Frau ruft und pfeift, kommen in einer mit frischem Stroh ausgestreuten Halle hunderte rosa Ferkel angelaufen. Die Tiere drängen zu ihr und knabbern an ihren Schuhen und ihrem leuchtend roten Overall. Alle wollen ein paar Streicheleinheiten abbekommen.

Begeistert führt die Landwirtin durch ihr Schweineparadies: eine Landschaft, hell, überdacht und größer als zwei Schulturnhallen mit Fressbereich, Dusche, Badewanne, Heu-Ecke, Raufutter-Stationen, Leckerli-Eimern, quietschgelben Plastikbällen und weiterem Spielzeug. An einer Beckentränke trinken die Tiere wie aus dem Fluss. Dahinter geht es raus auf die „Terrasse, wo die Säue im Stroh aneinander gekuschelt in der Sonne dösen. Mörixmann ist es wichtig, dass sie alle ihre unversehrten Ringelschwänze behalten: „ein Zeichen, dass es den Tieren gut geht.

Das Fleisch vermarktet der Betrieb über eine Metzgerei. Diese verkauft es auch über Wochenmarkt24. Mörixmann freut sich über die vielen Anrufer, die sich den Aktivstall gerne ansehen möchten. Öffentlichkeitsarbeit macht ihr Spaß. Rund 5.000 Follower auf Instagram versorgt die Landwirtin laufend mit neuen Bildern von ihren Tieren. Dort, auf Facebook und YouTube erntet sie begeisterte Kommentare.

Doch Tierwohl kostet Geld. 30 bis 50 Prozent teurer sei ihr Fleisch im Vergleich zu konventioneller Ware aus der Massenproduktion. Einen Teil der Mehrkosten fängt Mörixmann auf, indem sie den Zwischenhandel umgeht. Und Menschen, die den Hof kennen, sind eher bereit, mehr fürs Fleisch zu bezahlen.

Mehr als das doppelte für den Liter Milch

Ähnliche Erfahrungen macht Milchbauer Dennis Strothlüke in Bielefeld. Der 36-Jährige hätte ohne seine Direktvermarktung „wahrscheinlich schon längst die Türen für immer abgeschlossen. Umgerechnet etwa 60 Cent bringt ihm ein Liter Milch, den er über Wochenmarkt 24 verkauft. Die Molkerei zahlt weniger als die Hälfte: 29,7 Cent. Eine „traurige, jämmerliche Verarschung am Erzeuger“ nennt der gelernte Elektriker und Landwirt diesen Preis.

Dafür hat er aber auch eine Menge mehr an Kosten und Arbeit. Milch pasteurisieren, abfüllen, etikettieren und so weiter. Aus einem reinen Familienbetrieb mit einem Azubi wurde deshalb ein Unternehmen mit zusätzlich drei Festangestellten und zwei 450 Euro-Kräften. „Und die ganze Familie buckelt dann auch noch zur Not mit.“ Hinzu kommen die Kosten: die eigene Molkerei, Pasteurisierung, Abfüllung, Flaschen, Deckel, Etiketten und mehr. Der Bauer wird zum Unternehmer. Was er einnimmt, muss er wieder investieren. „Und wir tragen das Risiko, ergänzt Strothmann, der vor Jahren in den Betrieb eingeheiratet hat. Auch wenn ihm angesichts der Kosten und des Risikos „manchmal schummerig“ wird, sagt er: „Das war der richtige Schritt für uns.