Während der Finanzkrise 2008 waren wir mit einem einzigen systemischen Risiko konfrontiert. Fünfzehn Jahre später müssen wir uns mit einer ökologischen Krise, einer rapide wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, einer steigenden Verschuldung von Haushalten, Unternehmen und Regierungen sowie einem Krieg in Europa und politischen Spannungen rund um den Globus auseinandersetzen.

"Die derzeitige globale Situation kann als eine Polykrise beschrieben werden, bei der mehrere langfristige Krisen gleichzeitig zu einem systemischen Risiko führen, wobei jede Krise die Lösung der anderen erschwert", sagt Stegeman. "Die politischen Entscheidungsträger wissen nicht, wo sie mit den Lösungen anfangen sollen. Und es gibt keine einfache Lösung, denn wir können nicht in die Welt vor der Polykrise zurückkehren. Diese Welt wurde mit fossilen Brennstoffen betrieben und war auf Effizienz und ständiges Wachstum ausgerichtet; sie hat uns überhaupt erst in diese Lage gebracht."

Resilienz und Wandel

Um aus dieser Polykrise herauszukommen, müssen wir einen neuen Blick auf die Zukunft unserer Gesellschaft und Wirtschaft werfen", erklärt Stegeman. "Aufgrund der Situation, in der wir uns befinden, sind die Lösungen - die systeminternen Korrekturen - der Vergangenheit zur Stabilisierung des Wirtschaftssystems nutzlos geworden. Wenn wir einen totalen Zusammenbruch vermeiden wollen, müssen wir uns selbst, unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und unser Finanzsystem widerstandsfähiger machen und sie in nachhaltige Systeme transformieren, die die ökologischen und sozialen Grenzen unseres Planeten respektieren."

Ein solcher Transformationsprozess besteht aus mehreren Übergängen. Doch um dorthin zu gelangen, müssen wir unser System zunächst resilienter machen. Resilienz - die Fähigkeit eines Systems, sei es ein Individuum, ein Wald, eine Stadt oder eine Wirtschaft, mit Veränderungen umzugehen und sich weiterzuentwickeln - sollte stärker zunächst als wesentliches Element des Wirtschaftssystems und danach als Voraussetzung für den Wandel gewertet werden. Vor allem wenn der Wandel von einem fragilen Zustand ausgeht, kann er nur funktionieren, wenn Menschen, Gesellschaften und Ökosysteme resilient genug sind, um mit disruptiven Veränderungen umzugehen.

Transformative Investitionen

Der Finanzsektor spielt bei diesem Transformationsprozess eine entscheidende Rolle. "Wir müssen weg vom Kapitalismus der großen Vermögensverwalter dieser Welt, die nur auf Wachstum und kurzfristige Renditen fokussiert sind. Die Wirtschaft ist „kapitalisierter“ als je zuvor und daher umso anfälliger für 'Boom und Bust'", erklärt Stegeman. "Unsere längerfristige Botschaft an die Investoren lautet, dass Investitionen an den Prinzipien der Resilienz, der Transformation und der langfristigen Wertschöpfung statt an kurzfristigen Risiko-Rendite-Profilen ausgerichtet sein sollten", sagt Stegeman. "Die Entscheidungen darüber, was auslaufen soll (Zusammenbruch), was umgewandelt werden muss und was aufgebaut werden muss, um zu einem Wandel beizutragen, müssen auch von den Investoren getroffen werden, um einen Wandel in Gang zu bringen: Es geht nicht (nur) darum, Kapital in neue Technologien zu lenken und Unternehmen beim Wandel zu helfen. Es geht auch darum, Kapital aus gestrandeten Anlagen abzuziehen. Es geht darum, bewusste, vorausschauende Investitionsentscheidungen zu treffen und sich wieder mit der Realwirtschaft zu verbinden, indem man sich der Unhaltbarkeit des Systems bewusst wird. Und je früher das geschieht, desto schneller wird der Wandel erfolgen.