Weniger Autofahren, nicht mehr fliegen und auf Fleisch verzichten! Meist wird die Bekämpfung des Klimawandels mit Einschränkungen in Zusammenhang gebracht. Sicherlich werden die bekannten Maßnahmen immer notwendiger, aber warum das Blatt nicht einmal wenden? „Ständig wird uns erklärt, warum etwas nicht geht, aber nur so selten hören wir davon, was möglich ist“, behauptet Helmy Abouleish. Der gebürtige Österreicher ist Geschäftsführer einer Initiative in Ägypten, die sich genau das vorgenommen hat: Auf die Lösungen konzentrieren und zeigen, dass es auch anders geht. „Wir können zum Beispiel belegen, dass der Öko-Landbau unzählige Tonnen CO2 bindet, wohingegen konventionelle Landwirtschaft einer der größten Verursacher des Klimawandels ist“, so Abouleish. Könnten wir dann nicht einfach alle anfangen, uns biologisch, nahrhaft und hochwertig zu ernähren und so gleichzeitig das Klima schützen? „Ja!“, meint Helmy Abouleish entschlossen, der dies in Ägypten seit über 45 Jahren mit hunderten von Menschen erprobt. Als sein Vater Ende der 1970er Jahre die Vision hatte, Wüste durch biologische Landwirtschaft zu begrünen, wurde er für verrückt erklärt. „Und das war noch nicht alles. Er hatte den Traum, eigene Firmen zu gründen, Schulen und vieles mehr, was ihm die meisten als utopische Illusion auslegten.“ Aber er ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen und heute ist seine SEKEM-Initiative weltweit bekannt, als ein Modell, das zeigt, wie nachhaltige Entwicklung im Kontext vieler Herausforderungen möglich ist. Für den ganzheitlichen Ansatz, den SEKEM fördert, wurde der Gründer sogar mit dem alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) ausgezeichnet.  

Bio für alle, Klima schützen, und die Welt ist wieder in Ordnung? Kann das wirklich so einfach sein? Wie sollen sich alle Menschen die teureren Bio-Produkte leisten? Und was ist mit dem Argument, dass es gar nicht genug Platz gibt, um flächendeckend die Anforderungen der ökologischen Agrarkultur zu erfüllen? „Zunächst einmal müssen wir verstehen, dass die Preise in den Supermärkten nicht die tatsächlichen Kosten widerspiegeln. Konventionelle Landwirtschaft ist stark subventioniert, in Ägypten wie in Deutschland. Chemische Düngemittel und Pestizide werden immer teurer und die Schäden, die von der intensiven Landwirtschaft ausgehen, verursachen immense Kosten, die aktuell nicht in den Preis einkalkuliert werden“, weiß der studierte Ökonom und bezieht sich auf die immer öfter herangezogenen Studien zur Errechnung der wahren Kosten. „Ich bin mir sicher, dass konventionelle Lebensmittel bald deutlich teurer werden als biologische. Das kann man aktuell allein durch die steigenden Energiepreise prognostizieren.“  

Und was ist mit dem Platz? Wie soll die wachsende Weltbevölkerung biologisch ernährt werden, wenn immer mehr fruchtbarer Boden schwindet und die ökologische Produktion gleichzeitig mehr Fläche benötigt? Das sei eines der geringsten Probleme, meint Abouleish. „Es werden momentan viel zu viele Lebensmittel produziert, von denen ein Großteil auf dem Müll landet. Nachhaltige Agrikultur macht und hält Böden fruchtbar, wohingegen der konventionelle Anbau sie zerstört.“  

Diese und viele weitere Argumente bringt Helmy Abouleish nicht als utopischer Träumer vor, für den sein Vater oft gehalten wurde. Er stützt seine Erklärungen auf 45 Jahre Erfahrung im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft in Ägypten, einem Land, das mit unzähligen Herausforderungen konfrontiert ist und in dem es keine Umweltbewegung wie bei uns etwa in den 1970er Jahren gab. Er spricht auch nicht für eine Nische oder Ausnahmesituation in seinem Land. Die UN haben ihn beispielsweise als Klima-Champion auserkoren und Demeter-International (Biodynamic Federation), der weltweite Dachverband für biologisch-dynamische Landwirtschaft, als seinen Präsidenten. „Der Weltklimarat definiert selber, dass flächendeckende nachhaltige Landwirtschaftsmethoden bis zu 8,6 Gigatonnen CO2 pro Jahr in den Böden binden könnten. Wenn man dazu noch Bäume integriert, käme man auf weitere rund 8,8 Gigatonnen, also insgesamt über 17 Gigatonnen Einsparung. Das ist schon enorm, wenn man bedenkt, dass der weltweite Ausstoß 2021 bei 36 Gigatonnen lag. Und dabei sind die ausbleibenden schädlichen Ausstöße des konventionellen Anbaus sowie die positiven Effekte von Wäldern noch nicht einmal mit einkalkuliert.“  

Das klingt vielversprechend – wie aber kann das Bewusstsein über die Vorteile der Bio-Landwirtschaft nicht nur in den Köpfen der Menschen ankommen, sondern auch praktisch mehr Anwendung finden? Auch dazu hat die ägyptische SEKEM-Initiative bereits Schritte unternommen. Es wurde ein System für sogenannte Carbon-Credits entwickelt, womit die Bio-Bauern für ihren Verdienst in Bezug auf die CO2-Bindung entlohnt werden. Dies ermöglicht ihnen ein deutlich höheres Einkommen und gleichzeitig, mit günstigeren Preisen auf den Markt zu gehen, sodass sich immer mehr Verbraucher Bio-Produkte leisten könnten. So werden auch Anreize für weitere Bauern geschaffen, ihre Betriebe umzustellen. Das Modell stieß unter anderem bei der vergangenen Weltklimakonferenz im ägyptischen Sharm El Sheikh auf großes Interesse. 

„Und es gibt noch so viel mehr Lösungen, die wir all den Negativ-Prognosen entgegensetzen können. Das Erörtern der Versäumnisse und Missstände raubt uns nur wertvolle Energie, die wir für positive Maßnahmen einsetzen können“, meint Helmy Abouleish, der gerade daran arbeitet 40.000 ägyptische Bauern bei der Umstellung von konventioneller auf biologische Landwirtschaft zu unterstützen. „Bis 2028 sollen es 250.000 werden. Wir wollen zu einem Systemwandel im Land beitragen. Und wenn wir das in Ägypten schaffen, dann sollte das auch in allen anderen Teilen der Welt möglich sein.“ 

  

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