Die Menge des von uns produzierten Plastikmülls hat in den letzten Jahrzehnten weltweit massiv zugenommen, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich diese Entwicklung verlangsamen wird. Jedes Jahr werden weltweit etwa 400 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle produziert. Angesichts dieser enormen Abfallmengen wird es immer wichtiger, dass die öffentliche Hand geeignete Dienstleistungen für die Entsorgung von Kunststoffabfällen anbietet. Allerdings werden nur 16 Prozent des Plastikmülls recycelt. Ein Großteil des restlichen Plastikmülls landet in den Ozeanen. Schätzungen zufolge befinden sich dort derzeit zwischen 75 und 199 Millionen Tonnen Plastik. Wenn sich nichts ändert, könnte sich die Menge an Plastik in den Ozeanen innerhalb von zehn Jahren verdoppeln. Bis 2050 könnte diese Menge an Plastik das Gewicht aller Fische im Meer übersteigen.

Diese Menge an Plastikmüll hat starke negative Auswirkungen auf das Ökosystem der Ozeane, da Meerestiere Plastikteile verschlucken, daran ersticken oder sich darin zu Tode verheddern. Darüber hinaus zersetzen sich die riesigen Plastikmengen mit der Zeit und setzen große Mengen an Mikroplastik frei, die schließlich über Tiere und Meeresfrüchte in unsere Nahrungskette gelangen. Mikroplastik enthält toxische chemische Substanzen, die für Tiere und Menschen, die es aufnehmen, schädlich sein können.

Da diese besorgniserregenden Probleme jeden Tag größer werden, nehmen auch die Bemühungen zu, sie zu bekämpfen – manche effektiv, andere weniger.

Die Lösung eines Jungunternehmers

Der 18-jährige Niederländer Boyan Slat gründete 2013 das NGO (oder die Wohltätigkeitsorganisation) The Ocean Cleanup, um dieses Problem anzugehen. Beim Tauchen in Griechenland sah er, dass das Meer stark verschmutzt war. Danach dachte er: „Warum nicht einfach alles säubern?“.

Nach einem Jahr des Experimentierens mit Ideen und einfachen Tests kam Boyan auf die Idee, ein passives Sammelsystem zu entwickeln in Form von riesigen Netzen, die im Ozean ausgebracht werden und an Ort und Stelle bleiben. Die Strömung sorgt dann dafür, dass das Plastik in diesen Netzen hängen bleibt. Er wurde dann eingeladen, diese Idee auf einer TEDx-Konferenz vorzustellen, was dem Projekt große Popularität verschaffte und die ersten 90.000 USD durch Crowdfunding einbrachte. So entstand The Ocean Cleanup.

The Ocean Cleanup - Sammelsystem

In den ersten sechs Jahren entwickelten er und weitere Kolleg:innen das Projekt weiter, führten Tests durch und sammelten Spenden. Erst 2019, nach mehreren Tests, zwei Fehlschlägen und der stolzen Summe von 30 Millionen US-Dollar, die durch Crowdfunding gesammelt wurden, konnten sie ihr System „001/B“ in Betrieb nehmen und die erste Ladung Plastik aus dem Pazifik sammeln. Später haben sie einen Teil des Plastiks zu Sonnenbrillen verarbeitet und mit dem Erlös die Fortsetzung des Projekts finanziert.

Plastik in der Hand, viel neues Wissen und harte Kritik

Mit zwei gescheiterten ersten Versuchen aufgrund von technischen Schwierigkeiten (wie z.B dem Zerreißen des Netzes) und einem „erfolgreichen“ dritten Versuch im Jahr 2019 hat das NGO viel öffentliche Resonanz erzeugt und dazu beigetragen, das Bewusstsein für das Problem der Plastikverschmutzung zu schärfen und viele wertvolle Informationen zu sammeln, die das wissenschaftliche Verständnis über die Arten von Plastik im Ozean und deren Herkunft verbessert haben. Unabhängige Wissenschaftler:innen haben The Ocean Cleanup jedoch von Anfang an kritisiert.

 

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Eine der größten Sorgen sind die unbeabsichtigten negativen Auswirkungen auf die Meereslebewesen. Viele Meerestiere, vor allem solche, die nahe der Oberfläche leben, können sich in den 600 Meter langen und drei Meter tiefen Netzen verfangen und sterben. Diese Organismen sind für die Stabilität der marinen Ökosysteme von entscheidender Bedeutung.

Die Wirksamkeit des Projekts wird auch deshalb in Frage gestellt, weil das Einsammeln von Plastik aus dem Meer nicht so einfach ist, wie es sich anhört. Selbst an Orten wie dem Great Pacific Garbage Patch ist das Plastik über den ganzen Ozean verstreut und nicht in einer dichten Masse konzentriert. Deshalb decken die 600 Meter langen Netze von The Ocean Cleanup nur einen winzigen Teil der zu bearbeitenden Fläche ab.

Der deutsche Biologe Sönke Hohn vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung berechnete in einer Studie die geschätzten zukünftigen Ergebnisse des Projekts und kam zu dem Schluss, dass bis zum Jahr 2150,  bei kontinuierlichem Einsatz der Netze von Ocean Cleanup die Kunststoffmenge um 44.900 Tonnen reduziert werden könnte. Das entspricht etwas mehr als fünf Prozent der geschätzten globalen Gesamtmenge bis zum Ende dieses Zeitraums. „Angesichts der riesigen Mengen an Plastikmüll, die fortwährend die Ozeane verschmutzen, wäre das ein eher geringer Beitrag“, sagte Dr. Sönke Hohn.

Fluss in Zunil, Guatemala

Der Gründer von The Ocean Cleanup, Boyan Slat, und seine Kolleg:innen scheinen einige dieser Kritikpunkte erst genommen zu haben, denn in den letzten Jahren haben sie ihre Bemühungen nicht auf die Ozeane, sondern auf viele der am stärksten verschmutzten Flüsse der Welt konzentriert. 80 Prozent des Plastiks in den Ozeanen stammt aus Flüssen, also macht es Sinn, die Verschmutzung dort zu bekämpfen, bevor sie in die Meere gelangt.

Die neue Partnerschaft mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen entspricht den Empfehlungen, die Wissenschaftler:innen wie Dr. Sönke Hohn seit Jahren geben. Der Versuch, die Plastikverschmutzung der Meere zu beseitigen, ist wie der Versuch, ein Haus mit einem Wasserleck zu reinigen. Das Projekt hat mehr als 35 Millionen Dollar eingebracht und beschäftigt mehr als 120 Mitarbeiter, die einen bedeutenden Beitrag zur Umwelt leisten wollen. Daher ist es wichtig, dass die verfügbaren Ressourcen richtig eingesetzt werden.

Was können wir aus all dem lernen?

Obwohl die ursprüngliche Idee des jungen Boyan Slat nicht sehr erfolgreich war, hat er ein Projekt entwickelt, das, wenn es nach wissenschaftlichen Empfehlungen durchgeführt wird, sehr wertvoll sein kann. Was er und sein Team sehr gut gemacht haben, ist eine PR-Kampagne, die nicht nur viel Geld für einen guten Zweck eingebracht hat, sondern auch die Aufmerksamkeit auf das Problem der Meeresverschmutzung gelenkt hat.

Eines bleibt jedoch besorgniserregend: Neue Technologien können nicht die Rettung für unsere nicht nachhaltigen Gewohnheiten und Verhaltensweisen sein. In den Worten von Agostino Merico, Forscher am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung: „Indem sie (diese Technologien)  den Eindruck erwecken, dass sie eine effektive Lösung für das Problem des Kunststoff in unseren Ozeanen darstellen, können diese Technologien eine Rechtfertigung für eine weitere Verschmutzung der Umwelt liefern“, fürchtet Merico. „Es gibt nur eine Lösung: Wir müssen die Produktion von Kunststoffen aus fossilen Rohstoffen einstellen und alternative, nachhaltigere Lösungen wie die Verwendung biologisch abbaubarer Materialien fördern“, meint der Forscher.

Nachhaltigkeit ist keine leichte Aufgabe. Die Änderung unseres Verhaltens und der in unserer Gesellschaft verankerten Praktiken ist eine komplexe Herausforderung, die die Beteiligung aller erfordert. Jeder von uns kann einen Unterschied machen, sei es durch bewusste Konsumentscheidungen, aktive Teilnahme an Aufräumaktionen oder Unterstützung von Organisationen, die sich für saubere Meere einsetzen. Ein sauberer Ozean bedeutet eine lebendige Zukunft für uns und kommende Generationen.