Der Feind aus dem All hatte vor seiner Mission Wladimir Iljitsch Lenin studiert: "Wer eine Gesellschaft zerstören will, muss ihre Währung ruinieren.“ Kein Geld, keine Gesellschaft? Das erkannten die Menschen schon vor Tausenden von Jahren, als sie die reine Tauschwirtschaft aufgaben. Etwa in Mikronesien, wo kolossale Steinräder zum Zahlungsmittel wurden. Davon später …

Die originäre Tauschwirtschaft ist auf Dauer keine gute Lösung, weil sie immer eine „doppelte Übereinstimmung von Bedürfnissen“ erfordert, wie es in den Wirtschaftswissenschaften heißt. Beispiel: Ein Bauer kommt mit Korn auf einen Markt und benötigt zehn Würste. Der Fleischer wartet aber nicht auf Getreide, sondern will ein neues Messer haben – und schon scheitert die Ökonomie des Tausches.

Weil so der Markt versagt, kamen Menschen seit der „neolithischen Revolution“ auf die Idee, neue Wege des Wirtschaftens zu gehen. Das geschah ungefähr 10.000 Jahre vor Christus, im Neolithikum, auch Jungsteinzeit genannt (altgriechisch: neos = neu / lithos = Stein). Wie brach diese Revolution aus? Jäger und Sammler wurden zu Getreidebauern und Viehzüchtern, was Jahrhunderte gedauert hat.

Ein gewaltiger, sozialer und kultureller Umbruch: Die Sicherung der Existenz lag nicht mehr konzentriert in einer Hand, zum Beispiel der Jäger, die Mammuts zur Strecke brachten. Vielmehr verteilte sich diese Aufgabe auf viele Schultern. Die Arbeitsteilung war geboren! Die einen spezialisierten sich auf Landwirtschaft, die anderen auf Viehzeug aller Art. Viele Menschen gaben ihr Nomadentum auf, die Sesshaftigkeit wurde zur wichtigsten Lebensweise.

Hinzu kam: Weitere Spezialisten begannen, Werkzeuge, Keramik oder ganze Bauwerke herzustellen. Das hatte Auswirkungen auf Ideen der Planung und Zeitrechnung - sowie auf das entstehende Privateigentum. Zu diesen neuen, weit komplexeren Zeiten passte die alte Tauschwirtschaft nicht mehr, eine weitere Revolution lag in der Luft. Und sie kam …

Die Menschen entwickelten seit der Jungsteinzeit ein Geld, das alle modernen Funktionen heutiger Zahlungsmittel vereinte: Warengeld! Der Begriff zeigt aber auch deutlich, warum diese Geldform auf Grenzen stieß. Denn als „Zwischentauschmedium“ dienten: Vieh, Getreide, kostbare Muscheln, Waffen, Schmuck oder Salz.

Denn eine englische Redensart sagt: „Money ist what money does“ – frei übersetzt: „Geld existiert, sobald es als Geld funktioniert.“ Konsequenz: Alles kann zu Geld werden, das drei Funktionen erfüllt:

  • Tauschmittel: Geld ist ein Medium, um Transaktionen flüssig abzuwickeln.
  • Wertmesser und Recheneinheit: Geld ist ein universeller Maßstab, um den Wert einer Ware oder Dienstleistung einzuschätzen.
  • Wertaufbewahrungsmittel: Geld ist in der Lage, Werte in die Zukunft zu übertragen.

 

Wertaufbewahrungsmittel: Vor der Inflation war diese Aufgabe leicht zu erfüllen, sogar auf dem Meeresgrund … Der Transport der Steinräder konnte über ein Jahr in Anspruch nehmen und war riskant. Der Grund: Es konnten heftige Winde wehen, und manches Bambusfloß erreichte nicht sein Ziel. Daher sank immer wieder ein „Rai“ auf den Boden des Meeres. Verlorenes Geld? Nicht im „Rai“-System von „Yap“. Auch dieser Herausforderung begegneten die Einwohner, indem sie ihren kollektiven Verstand anstrengten, wieDr. Andrea Gropp schreibt („Kultur- und Stadthistorische Museum“, Duisburg). Sie zitiert dabei einen „Yap“-Bewohner: „Im nahe gelegenen Dorf lebte eine Familie, deren Reichtum unbestritten war, (…) und doch hatte niemand (…) diesen Reichtum jemals zu Gesicht bekommen oder berührt.“ Es war ein riesiger „Rei“, seine Größe war nur durch Erzählungen bekannt. „Denn er lag seit zwei oder drei Generationen auf dem Grund des Meeres“, so der Bericht von der Insel. Daher konnten die Steinräder im Ozean verschwinden – und behielten dennoch alle drei Geldfunktionen.

Übrigens: Das letzte Warengeld in Deutschland kam nach dem Zweiten Weltkrieg in Umlauf; die Reichsmark war so stark inflationiert, dass die Menschen auf Schwarzmärkten zu Zigaretten griffen, um sie als Ersatzwährung zu nutzen. Die Glimmstängel erfüllten alle Bedingungen, wie sie auch für Salz in der Steinzeit galten. Bleibt die Erkenntnis: „Money is what money does“. In ihrer Geschichte war die Menschheit in der Lage, fast aus allem ein Zahlungsmittel zu machen – und Aliens würden die Erde schnell und unblutig erobern, wenn sie einfach das gesamte Geld der Menschheit zerstören.

Diese Eigenschaften konnten viele Waren erfüllen, „die in einer Gesellschaft eine allgemein hohe Wertschätzung genossen“, schreibt Gerhard Mussel. Dabei ging es um den Nutzwert, der gleichzeitig zur Achillesferse der frühen Geldformen wurde. Das wird am Beispiel „Salz“ deutlich: Es war in frühen Gesellschaften ein attraktives Geld, denn jeder Haushalt brauchte es, um Fleisch zu pökeln und damit haltbar zu machen. Und: Es herrschte Knappheit, eine weitere Bedingung für ein gutes Tauschmittel.

Zudem ließ sich Salz leicht teilen, transportieren und aufbewahren. Außerdem erfüllte es die drei Geldfunktionen fast vollständig. Doch etwas störte: Salz hatte einen Gebrauchswert, der es überhaupt als Geld qualifizierte. Das stand aber im Widerspruch zum Tauschwert: Wer es verbrauchte, hatte kein Geld mehr. Ganz einfach! Ebenso gefährdet war die „Wertaufbewahrungsfunktion“, etwa wenn Wasser in Salztöpfe tropfte.

Daher kamen die Bewohner von „Yap“ zu einer radikal anderen Lösung. Sie leben heute noch auf dieser Insel im Pazifik, die Teil von Mikronesien ist. Vielleicht 10.000 Einwohner, die sich auf ein paar Dörfer verteilen, inklusive eines kleinen Flughafens. Der Clou: Ihr ursprüngliches Zahlungswesen machte sie „steinreich“ – und existiert immer noch in der Gegenwart, als Parallelwährung zum US-Dollar.

Auf Fotos ist zu sehen, wie in einer Allee aus Palmen riesige Steinräder stehen – manchmal vier Meter im Durchmesser und „Rai“ genannt. Oft bis zu fünf Tonnen schwer und mit einem Loch in der Mitte. Es gibt sie aber auch in der Größe einer Hand. Voila! Ein archaisches Zahlungsmittel, das heute noch in Gebrauch ist. Wie das geht? Als Antwort lassen sich die drei Funktionen des Geldes prüfen:

Tauschmittel: Die Kaufkraft des „Rai“ richtete sich u. a. nach der sozialen Stellung ihrer Eigentümer. Je höher in der Hierarchie, desto mehr konnte sich ein Einwohner auf „Yap“ leisten. Dazu war kein Geldbeutel nötig: Jeder Mensch wusste, wem ein Steinrad gehörte – und wem er es weitergab, um eine Ware zu erwerben. Dabei gab es „Rai“, die sich im Eigentum mehrerer Personen befanden, oder ganzer Familien und Dörfer. Das kollektive Gedächtnis sicherte die Eigentumsverhältnisse, so das Geld in „Umlauf“ kam, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Auf diese Weise verfügt jedes der 150 Dörfer bis heute über eine „Steinbank“. Erstaunlich, weil es eine große Bewusstseinsübung darstellt, über Jahrhunderte im Kopf zu haben, welcher „Rai“ zu welcher Transaktion genutzt wurde. Eine geistige Buchhaltung, die heute kaum vorstellbar ist.

Wertmesser und Recheneinheit: Diese Funktionen waren erfüllt, auch wenn der Wert der Steinräder von Eigentümer zu Eigentümer schwankte. Doch diese Währung erlebte Ende des 19. Jahrhunderts eine echte Inflation, kaum vorstellbar bei so immobilen Geldanlagen. Das verdankte „Yap“ dem Amerikaner David O´Keefe.

Seine Geschäftsidee: Er kaufte eine leistungsfähige Dschunke, und brachte fertige Steinräder über das Meer. Dazu muss man wissen: Der „Rai“ wurde in Steinbrüchen mit gelblich-weißem Aragonit abgebaut. Es gab ihn nur auf der Insel Palau, rund 450 Kilometer von „Yap“ entfernt. Mit der Dschunke konnten die einfachen Bambusflöße der Einheimischen nicht mithalten – und O´Keefe schaffte immer mehr der „heiligen Räder“ heran, die auch eine religiöse Bedeutung hatten. Dafür ließ er sich gut bezahlen, und zwar mit „Kopra“ aus Kokosnüssen, woraus sich das begehrte Kokosöl gewinnen ließ.

Das Ende vom Lied: Zu viele Steinräder auf „Yap“, zu wenig Kaufkraft für die Einwohner. Eine Inflation, von der sich die ungewöhnliche Währung nur schwer erholte. Aber es heißt, der Amerikaner habe eine halbe Million Dollar verdient, indem er das „Kopra“ bis zu seinem Tod in Hongkong verkauft hat. Unterhaltsam am Rande: Diese Geschichte verfilmte sogar Hollywood 1954, Titel: „Weißer Herrscher über Tonga“, Burt Lancaster in der Rolle des David O´Keefe.