Ina Budde, Co-founder and Managing Director von circular.fashion GmbH
Ina Budde, Mitgründerin und Geschäftsführerin von circular.fashion GmbH

„Das lineare Geschäftsmodell wird in der Zukunft nicht mehr funktionieren“, sagt Ina Budde von der Innovationsagentur circular.fashion, die Textilunternehmen zu Kreislaufwirtschaft berät. Alle Unternehmen müssten ihren Beitrag leisten, um knappe Ressourcen im Kreislauf zu halten. Nur so könnten sie sich dauerhaft Zugang zu Rohstoffen sichern. Einige Textilhersteller arbeiten daher seit mehreren Jahren an Geschäftsmodellen, um Kleidung länger in Gebrauch zu halten und Stoffe erneut verwenden zu können. Doch an vielen Stellen der Wertschöpfungskette gibt es noch Herausforderungen.

Branchenweite Zusammenarbeit nötig

Bisher werden weniger als ein Prozent der weltweit gesammelten Alttextilien zu neuen Textilfasern recycelt. Neun Prozent werden zu Produkten in minderer Qualität weiterverarbeitet, zum Beispiel zu Putzlappen. Beim Recycling sind vor allem die Mischfasern eine Herausforderung. Polyester wird zum Beispiel gerne mit Polyamid, einer weiteren Kunstfaserart, oder Baumwolle verwoben – die Bestandteile wieder zu trennen, ist sehr aufwendig. Deswegen hat die Outdoor-Marke Vaude 2023 erstmals kreislauffähige Kleidungsstücke aus Monomaterialien auf den Markt gebracht. Sie bestehen komplett aus recyceltem PET-Polyester.

Doch zurücknehmen und selbst recyceln kann das Unternehmen auch diese Stücke nicht. Ein eigenes Recycling-System, das Vaude als eines der ersten Unternehmen der Branche 1994 entwickelte, musste die Firma wieder einstellen. „Kleidung, die lange hält, wird seltener entsorgt“, erklärt Stefan Lörke, Abteilungsleiter Bekleidung bei Vaude. Das machte es für das Unternehmen schwierig, genug Material für das Recycling zu sammeln. „Eigenständige Recyclingsysteme lassen sich als Einzelunternehmen nicht sinnvoll organisieren“, ist daher Lörkes Schlussfolgerung. Es brauche Lösungen wie ein einheitliches Recyclingsystem für alle Unternehmen – etwa eine Textiltonne, in die Menschen abgetragene Kleidung entsorgen können.

Auch Pascal Brun, Vizepräsident für Nachhaltigkeit beim Versandhändler Zalando, hält es für wichtig, dass die Branche zusammenarbeitet. Die großflächige Umsetzung von Kreislaufmodellen erfordere ein Ökosystem aus Partnern, Infrastruktur und unterstützenden gesetzlichen Regelungen. „Wir glauben, dass diese Aufgabe allein nicht zu schaffen ist. Das ist vielleicht eine der wichtigsten Lektionen, die wir in den letzten Jahren gelernt haben“, sagt er.

An Regulierungen, die das Textilrecycling voranbringen könnte, arbeitet die EU im Rahmen ihrer Textilstrategie. Zentrales Vorhaben: die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) mit der überarbeiteten Abfallrahmenrichtlinie, die 2025 in Kraft treten soll. Textilhersteller würden die Kosten für die Bewirtschaftung von Textilabfällen künftig selbst tragen. So will die EU Anreize für kreislauffähige Produkte und weniger Müll schaffen. Die Höhe der Gebühren soll dabei an die Umweltauswirkungen der Textilien gekoppelt werden; die Einnahmen der Sammlung sollen der Sortierung und dem Recycling zugutekommen. 

Eine weitere Herausforderung beim Recycling sei die Qualität der Materialien, sagt Lörke. Bei Vaude etwa gebe es „sehr strenge Regeln, was die Verwendung von Chemikalien angeht.“ Um Kleidungsstücke besser recyceln zu können, brauchen Hersteller daher detaillierte Informationen über ihre Beschaffenheit. Dafür hat circular.fashion einen digitalen Produktpass namens circularity.ID entwickelt. Der scannbare Code auf dem Etikett informiert über Kriterien wie Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit. Er soll Kunden helfen, die richtigen Rückgabekanäle zu wählen. Altkleidersortierer können anhand der Informationen die recycelbaren Teile heraussuchen und an die Industrie weitergeben. Zalando hat die circularity.ID bereits getestet, Otto produziert damit seine Circular Collection, Armedangels ein T-Shirt.

Hersteller setzen auf wachsenden Secondhand-Markt

Auch der Online-Händler Zalando, bei dem über 50 Millionen Kunden im Jahr 2023 insgesamt über 244 Millionen Mal Kleidung bestellt haben, macht sich Gedanken um die Kreislauffähigkeit seiner Textilien. Seit 2020 hat das Unternehmen nach eigenen Aussagen die Lebensdauer von mehr als 6,3 Millionen Modeprodukten verlängert, zum Beispiel durch Recycling oder Wiederverwendung. Angepeilt waren ursprünglich 50 Millionen bis 2023. 

Die Zusammenarbeit mit dem Start-Up „Save your Wardrobe“, bei der Kunden ihre Kleidungsstücke reparieren oder ändern lassen konnten, wurde jedoch wieder eingestellt. „In der Pilotphase stellten wir eine hohe Kund:innenzufriedenheit fest. Die Preisgestaltung und die Wirtschaftlichkeit stellten allerdings eine Herausforderung dar“, erklärt Brun. Laut Zalando lag der durchschnittliche Auftragswert bei ungefähr 30 Euro, was aus Sicht des Unternehmens für potenzielle Kunden in manchen Fällen einen Neukauf attraktiver gemacht haben könnte. Zudem sei der Aufwand für den Online-Service (etwa Fotos hochladen und auf einen Kostenvoranschlag warten), eine Hürde für die Kunden gewesen. Das Unternehmen will aber weiter an zirkulären Lösungen arbeiten, zum Beispiel, indem es Secondhand-Mode anbietet.

Solche Resale-Programme werden immer beliebter, meint Nina Lorenzen, Mitgründerin des Netzwerks Fashion Changers. Dass auch Fast Fashion-Marken wie H&M oder Zara Millionen Euro in Secondhand investieren, zeige, dass die Branche darin einen wachsenden Markt vermutet. Mehr als fraglich sei jedoch, ob die Qualität der Teile dafür ausreiche, lange im Kreislauf zu bleiben. „Ein echter Gewinn wäre es, wenn die Unternehmen ihr Secondhand-Business zum Anlass nehmen würden, um die Qualität ihrer Kleidung zu erhöhen und die Neuproduktion von Kleidung zu reduzieren“, ergänzt Lorenzen.