Jüngste globale Schocks und Veränderungen, wie COVID-19 und die hohen Leitzinsen großer Zentralbanken, erwiesen sich für Investoren in Schwellenländern als relativ handhabbar. Doch angesichts der zunehmenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten stellt sich die Frage: Können die Schwellenländer weiterhin ruhig bleiben und ihren Kurs halten?
Bisher lief es gut
In der Vergangenheit waren steigende Zinsen in den USA meist schlechte Nachrichten für Schwellenländer, da sie Kapitalabflüsse und finanzielle Instabilität auslösten.
In letzter Zeit haben sich diese Effekte jedoch abgeschwächt. Als die US-Zentralbank ihre Leitzinsen zwischen 2021 und 2023 erhöhte, kamen die Kapitalströme in Schwellenländer nicht zum Stillstand, und eine Währungskrise blieb aus. Glaubwürdige Zentralbankpolitik in Schwellenländern, flexible Wechselkurse und stärkere internationale Reserven trugen zu dieser Widerstandsfähigkeit bei. Die Lage verbesserte sich im ersten Halbjahr 2024 weiter, als sich der globale Inflationsdruck unter Kontrolle zu befinden schien. Die Stimmung der Investoren gegenüber Schwellenländern hellte sich auf, begünstigt durch die Erwartung von Zinssenkungen großer Zentralbanken, die die Kreditkosten senken und lokale Währungen gegenüber dem US-Dollar stärken würden.
Dieses Szenario trat jedoch nicht vollständig ein. Die Wahl von Präsident Trump, die anhaltende Stärke der US-Wirtschaft und des US-Dollars führten dazu, dass die Federal Reserve bei Zinssenkungen vorsichtiger wurde. Kurz darauf folgte die Ankündigung von US-Zöllen, darunter 25 % auf Aluminium- und Stahlimporte, zusätzlich 10 % auf Importe aus China und die Androhung von Zöllen gegen Länder, die nicht mit der US-Regierung kooperieren. Obwohl niemand genau weiß, welche Abkommen die US-Regierung als Nächstes schließen wird, kam es bisher zu keinen größeren Störungen in den Schwellenländern.
Potenzial und Diversifizierung
Schwellenländer tragen zu fast zwei Dritteln des globalen Wachstums und mehr als drei Vierteln der Weltbevölkerung bei, was ihr starkes Potenzial verdeutlicht. Die Zahl der investierbaren Schwellenländer hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt, ebenso wie die Diversität innerhalb dieser Ländergruppe. Einige dieser Länder verfügen über reichhaltige natürliche Ressourcen und sind wichtige Lieferanten von Metallen wie Aluminium, Kupfer, Nickel und Palladium. Viele dieser Metalle sind entscheidend für die Energiewende und können aus offensichtlichen Gründen nicht einfach anderswo produziert werden.
Viele Schwellenländer haben sich allmählich von den USA entkoppelt. Die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Schwellenländern haben sich verstärkt, insbesondere mit China, dessen Importe aus diesen Märkten seit 2000 vervierfacht wurden. China ist seit einiger Zeit der wichtigste Handelspartner Südamerikas, und chinesische Touristen strömen nach Asien. Für einige Länder mit niedrigem Einkommen und schwachen globalen Handelsverbindungen, wie Pakistan und Guatemala, sind zudem inländische Faktoren für ihre wirtschaftliche Entwicklung wichtiger als die Auswirkungen der US-Wirtschaft.
Dennoch auf ausländisches Kapital angewiesen
Schwellenländer sind weiterhin auf ausländische Finanzierung und Entwicklungshilfe angewiesen, um ihre Volkswirtschaften zu entwickeln. Multilaterale Institutionen wie der IWF und die Weltbank bieten finanzielle Unterstützung, insbesondere in schwierigen Zeiten, vorausgesetzt, die Mittel werden verantwortungsvoll genutzt. Dies war über Jahre hinweg der Fall, bis jetzt. Die USA und andere Geberländer haben sich entschieden, ihre Ausgaben zu reduzieren und lehnen es ab, multilateralen Institutionen zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, dass die Finanzierung knapper wird und die Kreditkosten steigen dürften. China hat die Weltbank bereits als wichtigsten Kreditgeber für Schwellenländer überholt, doch seine Praktiken in Bezug auf Schuldennachhaltigkeit, Arbeitsbedingungen und Umweltschutz unterscheiden sich von denen anderer Gläubiger. Zudem ist die private Finanzierung, die Schwellenländer benötigen, um die Lücke zu schließen, die durch sinkende öffentliche Mittel und Entwicklungshilfe entsteht, wichtiger denn je.
Wir können nicht verhindern, dass die USA ihre finanzielle Unterstützung für Schwellenländer kürzen, aber wir müssen diesem Beispiel nicht folgen. Schwellenländer befinden sich heute in einer grundlegend besseren Position; der Kapitalabfluss, der normalerweise zu Krisen führt, bleibt aus. Dennoch benötigen diese Länder stabile Finanzierungsquellen, um sich nachhaltig zu entwickeln. Finanzielle Inklusion trägt dazu bei, indem sie in Finanzinstitute verschiedener Länder investiert, die wiederum lokale kleine und mittlere Unternehmen finanzieren und so zur sozioökonomischen Entwicklung beitragen.
Wir dürfen die Fortschritte der letzten Jahre im Kampf gegen extreme Armut und gewaltsame Konflikte nicht aufgeben und zulassen, dass Länder in eine dunkle Vergangenheit zurückfallen. Das ist eine Zukunft, die sich niemand wünscht.
Diese Kolumne wurde ursprünglich (auf Niederländisch) von Financial Investigator veröffentlicht.
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