Unsere Nahrungsmittel sind billig wie nie. Doch das können sie nur sein, weil die ökologischen und sozialen Kosten der Herstellung externalisiert werden und nicht im Preis an der Ladentheke enthalten sind. Volkert Engelsman, Gründer und Geschäftsführer des Bio-Handelsunternehmens Eosta/Nature & More und Peter Blom, CEO der Triodos Bank, fordern ehrliche und transparente Preise. Nur so können Verbraucher erkennen, dass nachhaltig erzeugte Lebensmittel letztlich günstiger sind – und wir uns billig nicht mehr leisten können.

Bananen für 1,19 € – ein echtes Schnäppchen? Mitnichten. Denn was der Verbraucher nicht weiß: Der Preis, den er an der Kasse zahlt, entspricht nicht der Wahrheit. Die Bananen aus konventioneller Landwirtschaft können nur zu einem solchen Spottpreis angeboten werden, weil die ökologischen und sozialen Kosten dort nicht eingerechnet sind. Stattdessen werden sie indirekt auf den Verbraucher abgeladen, zum Beispiel, indem er in Form von Steuern für die Reinigung von pestizidbelastetem Grundwasser aufkommen muss.

Zahlreiche Studien und Berichte zeigen bereits die hohen verborgenen Kosten unserer Lebensmittelproduktion – ein erster Schritt in die richtige Richtung. Doch um dieser Verbrauchertäuschung endgültig ein Ende zu machen, muss das Thema der fehlenden Preistransparenz direkt an den Point of Sale und damit an den Verbraucher getragen werden.

Nature & More stellt seit April dieses Jahres Flyer für Obst- und Gemüseauslagen zur Verfügung, die die wahren Preise der Lebensmittel abbilden. Dabei wurden Kosten und Nutzen für die Bereiche Klima, Wasser, Boden, Artenvielfalt, Soziales und Gesundheit berechnet, und zwar sowohl für die Bio-Ware als auch für das konventionelle Gegenstück. In Deutschland machen bisher die Biomärkte Alnatura und Denn’s diese Informationen zugänglich.

Die Berechnungsbasis: Ein 2014 von der UN-Ernährungsorganisation FAO zusammen mit dem Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL entwickeltes Modell, mit dem sich versteckte Kosten der Nahrungsmittelproduktion berechnen lassen. Die FAO knüpft beispielsweise den Ausstoß von einem Kilogramm Treibhausgas an einen bestimmten Betrag und legt so offen, was die dadurch verursachte Erderwärmung durchschnittlich kostet. Dank dieses Modells kann jede Organisation die verborgenen Kosten pro Produkt ausrechnen – sofern entsprechende Werte wie etwa der CO2-Fußabdruck bekannt sind.

Bio ist nicht zu teuer, sondern konventionell zu billig
So wird rasch deutlich, dass Bio nicht zu teuer, sondern konventionell zu billig ist. Für den konventionellen Anbau von Birnen in Argentinien werden beispielsweise in großem Maße Kunstdünger und chemische Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt, die klimaschädliches Kohlendioxid freisetzen. Gleichzeitig verwenden konventionelle Obstbauern in Argentinien keinen Kompost, um ihre Böden fruchtbar zu halten. Dadurch binden sie weniger CO2. Ein Hektar konventionell bewirtschafteter Birnbäume verursacht so einen Klimaschaden in Höhe von 3.144 Euro pro Jahr. Dazu kommen Kosten für Wasserverbrauch und -verunreinigung von 752 Euro sowie Schäden durch Bodenerosion von jährlich 1.163 Euro.

Natürlich verursacht auch der Anbau biologisch bzw. nachhaltig erzeugter Birnen in Argentinien versteckte Kosten – sie sind aber ein gutes Stück niedriger. Das Beispiel eines argentinischen Bio-Obstbauern zeigt, dass seine Klima- und Wasserkosten fast 900 Euro unter der “konventionellen” Bilanz liegen. Die Bodenbewirtschaftung generiert hier sogar Wert: humusreicher Boden speichert mehr Treibhausgase und trägt so aktiv zum Klimaschutz bei – Ein Gewinn von 254 Euro pro Jahr. Die argentinischen Bio-Birnen liefern so einen gesellschaftlichen Mehrwert in Höhe von 2.287 Euro pro Hektar Obstbaumplantage. Der Nutzen für Artenvielfalt, Soziales und Gesundheit sind darin noch nicht einmal enthalten. Pro Kilogramm Bio-Birnen insgesamt ein Gewinn von mindestens 5,7 Cent – und das trotz der um 17 Prozent geringeren Erträge im Bio-Landbau.

Viele Verbraucher haben diesen Nutzen bereits erkannt und sind bereit für nachhaltig erzeugte Lebensmittel einen höheren Preis zu zahlen. Doch solange es für konventionelle Anbieter möglich ist, Kosten zu externalisieren, werden sie gewissermaßen doppelt zu Kasse gebeten. Denn sie zahlen für Schäden, die sie gar nicht verursacht haben. Um diese unfaire Situation aufzulösen, ist der Gesetzgeber gefragt, beispielsweise indem er unterschiedliche Mehrwertsteuersätze für nachhaltig und nicht-nachhaltig erzeugte Lebensmittel anwendet.

Auch um Gewinne und Zukunftsprognosen von Unternehmen langfristig festzustellen, kann der Wertverlust von Produktionsmitteln – Arbeitskraft, Wasser, Klima, Boden – nicht länger ignoriert werden. Wirtschaftsprüfer von KPMG haben aus diesem Grund die “True Value”-Methode entwickelt, mit deren Hilfe Firmen ihren “wahrhaftigen” Wert inklusive ihrer für die Allgemeinheit generierten Mehrwerte abbilden und beziffern können. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen auch die Verfechter der Gemeinwohl Ökonomie um Christian Felber.

Indem die verborgenen Kosten von Produkten endlich quantifizierbar sind, bewegen wir uns hin zu einer neuen Gewinndefinition und Wertedebatte, die schon lange überfällig ist: Im Fokus steht dann nicht mehr Gewinnmaximierung um jeden Preis, sondern ein nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen, von dem am Ende alle profitieren.