Unternehmen fertigen aus Rohstoffen Produkte, verkaufen sie an die Verbraucher, die sie eine gewisse Zeit nutzen und dann wegwerfen. Am Ende landet fast alles auf einer Deponie. Aus den Augen aus dem Sinn. So funktioniert einfach erklärt unser Wirtschaftssystem. Es ist überwiegend linear und wenig nachhaltig, wiederverwertet wird kaum. Doch es könnte ganz anders sein: Ein geschlossener Kreis des Wirtschaftens könnte unser lineares System ablösen und die Wirtschaft nachhaltig gestalten – „von der Wiege zur Wiege“ sozusagen oder Englisch cradle to cradle.

Unser Wirtschaftssystem wäre dann nicht mehr linear, sondern gliche einem Kreis: Die eingesetzten Rohstoffe würden über den Lebenszyklus eines Produkts hinaus so lange wie möglich weiter verwendet und durch Sharing-Konzepte geteilt. Im Idealfall entstünde Abfall erst gar nicht, beziehungsweise gäbe es nichts, was mit dem Namen Abfall bezeichnet werden könnte. Vorbild solcher Modelle ist die Natur, die seit Milliarden Jahren den Lebenskreislauf nachhaltig aufrechterhält. Alles wird wiederverwertet. Aus dem Tod entsteht Leben. Die sogenannte Circular Economy oder Kreislaufwirtschaft ist zwar noch weit davon entfernt, unser neues Standardsystem zu sein, aber sie entwickelt sich langsam.

Kreislaufwirtschaft revolutioniert das Baugewerbe
Immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft, zum Beispiel im Bausektor. Täglich werden weltweit unzählige Gebäude abgerissen, ohne dass Rohstoffe wie Stahlträger oder Ziegelsteine wiederverwertet werden. Doch dies ist gerade im Begriff sich zu ändern: Immer mehr Architekten, Ingenieure oder Rohstoffexperten sehen in alten Gebäuden einen Schatz, den es zu heben gilt. Urbane Ballungsräume gelten in diesem Sinne auch als „Minen der Zukunft“.

Seit diesem Jahr finanziert auch die Triodos Bank in Deutschland nachhaltige Immobilien. Wir achten bei der Finanzierung von Immobilien nicht nur auf Faktoren wie die Energieeffizienz, sondern bedenken mit, dass bei einem möglichen Abriss oder einer tiefgreifenden Umnutzung die verbauten Rohstoffe maximal recyclebar bleiben.

Was sich in der Baubranche in diesem Zusammenhang tut, zeigt auch das Beispiel des Start-ups Adaptavate: Gipsplatten, die in fast jedem Haus verbaut werden, sind in ihrer Entsorgung kritisch. Sie enthalten Gifte wie etwa Sulfate und müssen in vielen Fällen als Sondermüll entsorgt werden. Adaptavate-Gründer Tom Robinson entwickelte eine alternative Wandverkleidung, die zu 100 Prozent recyclebar ist und zu großen Teilen aus Abfällen der Landwirtschaft besteht. Sein junges Unternehmen setzt den Gedanken der Kreislaufwirtschaft damit perfekt um: Es fertigt ein Produkt aus Abfällen, das wiederum ohne Rückstände selbst abgebaut werden kann.

Triodos-Kunde Daniel Leinweber agiert mit seinem Unternehmen electronicloop ebenfalls im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Er bringt Notebooks unterschiedlicher Hersteller wieder auf Vordermann. Anstatt sich ein neues Gerät zu kaufen, können Kunden ihre defekten Notebooks an electronicloop schicken und bekommen es repariert zurück. Auch der Versand ist nachhaltig: Leinweber nutzt bereits gebrauchtes Verpackungsmaterial für die Rücksendungen.

In Deutschland gibt es seit 2012 den Cradle to Cradle e.V. Der gemeinnützige Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Cradle to Cradle Denkschule in die Mitte der Gesellschaft zu bringen.

Jährlich veranstalten die Mitglieder des Vereins, der sich inzwischen in über 30 Regionalgruppen gliedert, auch einen Kongress. 2017 findet er im Oktober in Lüneburg statt.

Auch in der Politik ist das Thema Kreislaufwirtschaft inzwischen angekommen – und zwar auf höchster Ebene: Die Europäische Kommission hat im Dezember 2015 beschlossen, die Kreislaufwirtschaft in der Union zu fördern. Dazu verabschiedete sie ein Maßnahmenpaket. Es beinhaltet Geldmittel in Höhe von über sechs Milliarden Euro und soll unter anderem dazu beitragen, die Verpackungsabfälle in der EU bis 2030 um 75 Prozent zu verringern.

Auch für uns Verbraucher in Deutschland könnten von dem neuen Wirtschaftsmodell profitieren: Einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie zufolge, könnten in Deutschland bis 2030 durch die „Circular Economy“ die Ausgaben für Mobilität, Wohnen und Lebensmittel um 25 Prozent sinken. Das durchschnittlich verfügbare Haushaltseinkommen würde demnach im gleichen Zeitraum um bis zu 3000 Euro wachsen. Die Kosten beispielsweise für Verkehrsstaus und für Wohnraum könnten um ein Fünftel verringert werden, der CO2-Ausstoß könnte – gemessen am aktuellen Niveau – um rund die Hälfte sinken. Darüber hinaus ließe sich auch der Rohstoffverbrauch etwa durch Auto- Gebäudebau, landwirtschaftliche Wassernutzung oder fossile Brennstoffe bis 2030 im Vergleich zu heute um bis zu ein Drittel senken. Wenn das kein Grund ist, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben!