Reichwerden – das ist etwas, was jeder sich gelegentlich ausmalt. Aber wie wird man es? Und wann ist man es? Wir von der Triodos Bank haben Menschen aus der ganzen Welt gefragt, was Reichtum für sie bedeutet. Unter ihnen ein Stammesältester aus Grönland. Der Schamane Angaangaq wuchs in großem Wohlstand auf, allerdings ohne Geld. Geld hat für ihn eine andere Bedeutung als für die meisten von uns.

Angaangaq Angakkorsuaq ist ein Ältester der Eskimo-Kalaallit aus Grönland und seit rund zwölf Jahren Schamane. Reichtum hat für ihn viel mehr Dimensionen als nur die des Geldes:

„Von einem Tag auf den anderen kann man all sein Geld verlieren. Jeder kennt Geschäftsleute, die plötzlich Bankrott gemacht haben. Oder vielleicht warst du selbst schon einmal pleite. Ist man dann auf einmal arm? Das kommt darauf an.

Wenn du immer nur mit dem einzigen Ziel, reich zu werden, gearbeitet hast, schon. Dann hast du verloren, wonach du gestrebt hast, dann hast du wirklich nichts mehr. Wenn es dir bei der Arbeit jedoch um das Lernen, das Machen und Tun ging, dann kannst du unmöglich arm werden. Du hast nämlich jahrelang Wissen und Erfahrung gesammelt. Glück erfahren. Darin steckt viel mehr Reichtum als in Geld selbst.“

Der Name Angaangaq bedeutet „der Mann, der so aussieht wie sein Onkel“. Seine Aufgabe war es, die Rückkehr des Heiligen Feuers zu leiten. In einer dreitägigen Zeremonie erfüllte er 2009 seine Aufgabe. Seitdem ist er ein „Großer Schamane“.

„Als Schamane bringe ich Zeremonien in die Welt zurück. Eine Zeremonie ist, kurzweg, das Feiern des Lebens. Wenn eine Zeremonie aber jenen Hauch des Festlichen oder Feierlichen verliert, bleibt nur die Gewohnheit übrig. Etwas so tun, wie wir es nun einmal tun, weil wir es so gewohnt sind. Weil es so getan werden muss. Weil jeder es so tut.

Du kannst es mit dem Arbeiten vergleichen. Warum tun wir das tagaus, tagein? Ist es wegen der Freude, die wir an der Arbeit haben? Oder weil nun einmal Geld verdient werden muss?

Ich sage Menschen, dass sie in ihrem Leben nach mehr suchen müssen als nach Arbeit, um Geld zu verdienen. Aus dem Leben gleichsam wieder eine Zeremonie machen, ein Fest, darum geht es. Nicht um Geld.“

 

Wenn ich das bisschen Geld, das ich habe, auf einen Schlag verliere, verändert das mein Leben nicht
Angaangag

Angaangaq wuchs in ganz anderen Verhältnissen auf, als die meisten von uns sie kennen. Dadurch entwickelte er eine andere Sicht auf das Geld:
 

angaangaq

„Als ich heranwuchs, gab es kein Geschäft in der Gegend. Wir konnten nichts kaufen. Alles, was wir aßen, mussten wir zunächst fangen. Wir trugen Kleidung aus Tierfellen. Tauschgeschäfte waren gang und gäbe. Wer gutes Werkzeug hatte, lieh es aus und bekam dafür etwas anderes zurück. Wir hatten kein Geld, das wäre auch nutzlos gewesen. Dennoch bin ich in großem Wohlstand aufgewachsen.

Als die Geschäfte kamen, zeigte sich plötzlich, dass wir arm waren. Nur weil wir kein Geld hatten, um Sachen zu kaufen. Es stimmt, dass ich nicht reich bin. Viele Dinge kann ich nicht bezahlen. Aber ich besitze Wissen. Über mich selbst, mein Volk, die Geschichte, die Tiere und die Natur. Das ist in meinen Augen mehr wert als ein dickes Bankkonto. Wenn ich das bisschen Geld, das ich habe, auf einen Schlag verliere, verändert das mein Leben nicht.“

Wer sich in seinem Leben krampfhaft an Geld klammert, muss in der ständigen Angst leben, alles zu verlieren, meint Angaangaq. Deshalb plädiert er für einen lockeren Umgang damit und rät zum Teilen:

„Um wirklich wohlhabend zu sein, darfst du dein Leben nicht von Geld abhängen lassen. So viel du davon auch haben magst. Dich krampfhaft an dein Geld zu klammern, ist das Dümmste, was du tun kannst. Es führt dazu, dass große Unterschiede zwischen Arm und Reich entstehen. Darüber hinaus musst du in der ständigen Angst leben, alles zu verlieren. Besser ist es, damit etwas lockerer umzugehen: teilen.

Und setze nicht alles und jedes daran, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern verwende deine kostbare Zeit anders. Auf eine Weise, die nicht dein Bankkonto aufbläht, sondern dich als Menschen reicher macht, wie zum Beispiel das Wandern. In Grönland kannst du stundenlang wandern, ohne einem Menschen zu begegnen. Das ist wirklicher Reichtum.“
 

Angaangaq spricht auf internationalen Konferenzen und Symposien über die Umwelt, den Klimawandel und indigene Themen. Seine Arbeit brachte ihn in über sechzig Länder dieser Welt, unter anderem Südafrika, Nordamerika, Südamerika, Asien, die europäische Arktis, Russland und Sibirien. Mehr Informationen über Angaangaq gibt es auf IceWisdom.

Bilder: Sven Nieder